Metamorphosen in Miniatur:

Fine Queer Art in Gold und Silber – im Feingussverfahren – von der Idee zur Skulptur

Moderne, queere Miniatur-Kunst in barocken Paradegemächern im Celler Schloss – passt das zusammen? Die Sonderausstellung „Metamorphosen in Miniatur“ mit Miniaturkunst in Gold und Silber von Ursula M. Lücke bringt diese Positionen unter Rückgriff auf die Motive der barocken Wunderkammer zusammen.

Ursula M. Lücke, GoldschmiedeKünstlerin und promovierte Bild-/Kulturwissenschaftlerin, betreibt kunstbasierte Wissenschaft und kreiert wissenschaftsbasierte Kunst, die mit Standards und Schubladen bricht: Körper und Themen werden in den beeindruckenden, nur 16–65 Millimeter „großen“ Gold- und Silberfiguren „gequeert“ und ermöglichen neue, berührende Perspektiven.

Das Ausgangsmaterial der Edelmetallfiguren sind standardisierte Plastikfiguren aus dem Modellbau in der Größe H0 1:87. Die Figuren werden als fragmentierte Einzelteile angeboten. Diese werden unvorschriftsmäßig kombiniert und mit zahntechnischen Kunststoffen und Wachsen modelliert. Die kreierten Plastikhybridkörper werden anschließend im klassischen Gussverfahren der verlorenen Form massiv in recyceltem Gold und Silber gegossen.

Das Motiv des Perseus von Cellini ist die Vorlage für die queere Miniatur Skulptur Medusa enthauptet Perseus in recyceltem 900er Gelbgold.
Benvenuto Cellini, Goldschmied und Bildhauer, schuf Mitte des 16. Jahrhunderts die Bronzeplastik des Perseus mit dem Medusenhaupt. Nach der griechischen Mythologie tötete er auf schreckliche Weise Medusa, die mächtigste der drei Gorgonen-Schwestern. Zuvor hatte er von den Nymphen, von Hermes und Athene Tarnkappe, Flügelschuhe, Zaubertasche, Waffe der Titanen – das Sichelschwert – und einen spiegelnden Schild aus Bronze erhalten, um Medusa nicht direkt anzusehen und zu Stein zu erstarren. Nur mit Hinterlist und großer Unterstützung gelang ihm der Mord, denn er enthauptete Medusa im Schlaf.

In Lückes Metamorphose in Miniatur sind die Rollen vertauscht: Medusa enthauptet Perseus oder Gruß an Cellini. Mit handwerklichem Geschick unter Verwendung von standardisierten Plastikfiguren aus dem Modellbau in der Größe H0 1:87 wird das Modell geschaffen und mit dem Gießsystem versehen.

Die Gießtraube wird auf einen Gummiteller für die Lochküvette aufgewachst, die Küvette in den Teller eingebracht, mit einem Flies ausgekleidet und mit einer gibsgebundenen Einbettmasse aufgefüllt.

Hat die Einbettmasse abgebunden, werden die Küvetten im Ofen langsam über Nacht erhitzt, damit die Formen nicht reißen. Das Wachs schmilzt aus und das Plastik verbrennt rückstandslos.

Am nächsten Morgen werden die Formen in der Automatik-Induktion-Vakuum-Druck Gießanlage gegossen. Im oberen Teil befindet sich der Tiegel mit dem Material, das erhitzt wird, im unteren die Gießform. Oben wird ein Überduck erzeugt und unten ein Vakuum. Wenn das Material geschmolzen ist, wird ein Ventil geöffnet und das Material schießt in die Gießform.

Der Guss erfolgte durch die Firma Sturm KG Feinguss in Oberösterreich.

Die Miniaturen verbinden kostbares Edelmetall und weggeworfene Bruchstücke von Alltagsgegenständen (objets trouvés aus Glas und Keramik) zu faszinierenden Preziosen, wie z. B. bei Mädchen geht schwimmen. Medusa allerdings, ist auf einen eigens angefertigten Sockel aus Ebenholz gehoben. Lückes Miniaturskulpturen verkörpern Szenen und Figurenkonstellationen von Geschichten aus der Mythologie und aus dem Alltag. Sie veranschaulichen und erzählen Geschichte/n auf neue Weise – klassische Mythologie erfährt eine queere Metamorphose.