Wärmehaushalt bei Kühlung und Temperierung von Druckgießformen und ihre damit verbundene Lebensdauer.
Herr Dr. Betz – ist der Aluminiumdruckguss Gewinner oder Verlierer der Elektromobilität?
Ich denke Gewinner. Die Frage ist natürlich, ob und unter welchen Umständen wir mit unseren Gießereien, Formenbauern und der gesamten Gießerei-Infrastruktur hier in Deutschland und Europa unsere starke Position halten und vielleicht weiter ausbauen können.
Wie meinen Sie das?
Der Aluminiumdruckguss ist eine energie- und ressourcenintensive und auch die Umwelt tangierende Serienfertigung. Über die Gussproduktnachfrage müssen wir uns keine Sorgen machen, denn das Elektroauto wird ein Aluminiumauto sein, wie das der weltweit führende Anbieter bereits praktiziert, da Leichtbau und Recyclingquote in einem bisher nicht gekannten Ausmaß die dominierenden Einflussfaktoren sein dürften.
Die große Herausforderung wird aber im Fertigungsprozess liegen, der in kürzester Zeit auf eine teils ganz neue Grundlage gestellt werden muss. Energieeinsparung, Material- und Wassereinsparung und scharfe Umweltvorgaben werden durch den Einsatz neuer Technologien einschließlich Sensor- und KI-Technik und die konsequente Einführung von Prozess-Kreisläufen, allen voran einem Energie-Kreislauf, zu verwirklichen sein.
Womit wir bei dem von Ihnen so genannten Gamechanger, dem Wärmehaushalt, also der Kühl- und Temperiertechnologie, angekommen sind. Können Sie uns das bitte kurz erläutern?
Genau. Beim Druckguss stand neben der Formfüllung immer schon der Wärmehaushalt im Mittelpunkt des Geschehens. Dieses extrem komplexe und auch noch unsichtbare Geschehen der räumlichen Wärmeströme hat man in der Vergangenheit durch teils recht grobe Maßnahmen zu beherrschen versucht, also recht weit entfernt von filigranen ingenieurtechnischen Prozesssteuerungen. Dies war auch der Entwicklung des Druckgiessprozesses durch kleine und auch bequeme Verbesserungsschritte entlang der bestehenden eingefahrenen Gleise geschuldet, ungeachtet dessen, dass man seit mehr als 20 Jahren mit hervorragenden Simulationssoftware-Paketen zur Analyse des Gieß- und Erstarrungsprozesses ein hervorragendes Hilfsmittel zur Seite hatte. Die Kühltechnologie als solche ist im Grundsatz unverändert geblieben und die Verbesserungen zur Dämpfung von HotSpots und zur Zyklusverkürzung hat man fast ausschließlich über die Schiene der Sekundärkühlung verwirklicht.
Wie sieht das neue Konzept aus?
Die erwähnte Sekundärkühlung, bei der die Formkonturen nach dem Öffnen der Form und der Gussteilentnahme mit einer intensiven Wasser-Trennmittel-Sprühung abgekühlt werden, ist jene grobe Methode, die wir über Jahrzehnte immer weiter optimiert haben und über die oft mehr als die Hälfte der überschüssigen Wärme abgeführt wird, steht uns heute mitten im Weg und ist zum Problem geworden. Der zukünftige nachhaltige Druckguss wird grundsätzlich ohne die Sekundärkühlung zurechtkommen müssen und dies macht die Kühl- und Temperiertechnologie im positiven oder negativen Sinne zum Gamechanger. Wir brauchen neue Technologien, um den heißen Bereichen der Form die gesamte Wärme über eine hocheffiziente Innenkühlung zu entziehen.
Damit wären wir jetzt beim Casus Knacksus …
Ja. Seit etwa drei bis vier Jahren gibt es seitens der Endabnehmer der Gussteile immer mehr Druck, auf die Sekundärkühlung zu verzichten oder sie zumindest zurückzudrängen, um die Lebensdauer der teuren Formen zu verlängern. Die Antwort der Gießereibetriebe ist die Minimalmengensprühung, bei der es nur noch um den Trennmittelauftrag geht, die Kühleffekte aber um 90 bis 95 Prozent vermindert sind. Bei diesen Umstellungsversuchen zeigt sich jedoch die große Schwierigkeit, die Innenkühlung der Stahlform durch eine konturnahe Wasserkühlung entsprechend zu verbessern, da konturnahe Kühlung zu einer beschleunigten und verstärkten Haarrissbildung in den Kühlkanälen führt.
Der unverzichtbare Formenstahl, vom Typ ein Warmarbeitsstahl mit etwa 4,5 % Cr, etwa 0,45 Prozent Kohlenstoff sowie weiteren Legierungselementen, ist nur bedingt wasserkühlbar. Dies führt dazu, dass sich an der Innenfläche des Kühlkanals durch thermische Spannungen, Makrospannungen und die Lochspannung Mikrorisse bilden, die an bestimmten Stellen zu einem Haarriss auswachsen, der sich Schritt für Schritt durch die Stahlwand bewegt, bis das Wasser dann in die Kavität eintritt. Reparieren kann man das nicht mehr. Je dicker die Stahlwand zwischen Kühlkanal und heißer Formkavität ist, desto geringer die thermischen Spannungen und desto länger der Weg für den Haarriss. Abstand halten war also immer das Motto der erfahrenen Konstrukteure und Meister der Gießerei. Aber Abstand halten bedeutet auch eine spürbar geringere Kühlwirkung. Diese Rissproblematik war in der Vergangenheit der Hauptgrund für die immer größere Bedeutung der Sekundärkühlung.
Jetzt rücken wir im Zuge der Einführung der Minimalmengensprühung die inneren Kühlkanäle konsequent nach vorne im Sinne einer konturnahen Kühlung und müssen feststellen, dass oft schon nach kurzer Zeit durch Haarrisse Wasserleckagen eintreten.
Inwiefern gibt es eine Lösung?
Aus meiner Sicht gibt es eine Lösung durch ein völlig neues Denken, also eine Innovation in der Bauweise der Druckgiessform: Wir gehen von der Mono-Stahlform über zur Verbundform Stahl-Kupfer-Edelstahl.
Die Form wird weiterhin zu 98 Prozent aus Stahl bestehen, aber die Kühlkanäle und konturnahen HotSpot-Bereiche werden dickwandig durch Kupfer ausgekleidet, zusätzlich ausgestattet mit Edelstahlsperrschichten. Kupfer erhöht die Wärmeableitung zum Kühlwasser und sorgt gleichzeitig dafür, dass im Kühlkanal keine Haarrisse mehr entstehen. Der Edelstahl verhindert, dass von außen eindringende Risse bis zum Kühlwasser durchdringen können. Die Kühlkanäle und Kühlelemente können jetzt ohne Besorgnis näher an die heißen Zonen herangerückt werden. Das entscheidende Merkmal und ein Kernpunkt der Innovation ist natürlich die vollständige metallische Verbindung der Verbundwerkstoffe untereinander also auch mit dem Formenstahl.
Dies ist aus meiner Sicht einer der Gamechanger für einen nachhaltigen Druckguss.