Graphitbildung in Eisen-Kohlenstoff-Legierungen.
Gusseisen
Um eine Grauerstarrung, das heißt Bildung des Graphiteutektikums (Austenit-Graphit) nach dem stabilen System Fe-C zu erreichen, muss das Gusseisen so zusammengesetzt sein, dass es eine ausreichend hohe Neigung zur Graphitbildung (Graphitisierungstendenz) hat. Diese Bedingung wird erfüllt, wenn der Graphitisierungsfaktor K in Abhängigkeit von der Abkühlungsgeschwindigkeit beziehungsweise der Gussstückwanddicke entsprechend eingestellt wird. Der aus der Schmelze in den eutektischen Körnern ausgeschiedene Graphit kann lamellar, rosettenförmig, interdendritisch fein verteilt, vermicular oder kugelförmig sein, (Graphitform, Graphitrichtreihe).
Bei weiterer Abkühlung unterliegt der Austenit einem eutektoiden Zerfall, der jedoch unter normalen Bedingungen nicht mehr nach dem stabilen, sondern nach dem metastabilen System Fe-C verläuft: Es bildet sich Perlit, so dass das Gefüge aus einer perlitischen Grundmasse mit eingelagertem Graphit besteht. Durch ferrithemmende und perlitstabilisierende Zusätze zum Gusseisen lässt sich ein rein perlitisches Gefüge erzielen. Andererseits lässt sich aber auch ein partieller oder sogar vollständiger eutektoider Zerfall des Austenits in Ferrit und Graphit nach den Bedingungen des stabilen Systems Fe-C erzwingen, wenn die Eisenzusammensetzung so eingestellt wird, dass der Graphitisierungsfaktor sehr hoch ist.
Umgekehrt tritt bei niedrigem Graphitisierungsfaktor die Ledeburitbildung, das bedeutet Weißerstarrung, auf. Die Grauerstarrung kann durch langsame Abkühlung und durch graphitisierend wirkende Zusätze gefördert werden, die den Temperaturbereich zwischen der stabilen und metastabilen eutektischen Erstarrung erweitern und die Kohlenstofflöslichkeit vermindern (Si, Cu, Ni); Kupfer und Nickel wirken darüber hinaus noch perlitisierend.
Temperguss
Temperrohguss ist ein graphitfreies, weiß erstarrtes Gusseisen. Durch eine Glühbehandlung (Tempern) werden die ledeburitschen Carbide (Zementit Fe3C) zum Zerfall gebracht, und es scheidet sich Temperkohle aus:
Fe3C → 3Fe + C.
Bei der Herstellung von schwarzem Temperguss erfolgt die Glühbehandlung, die an sich ein Carbidzerfallsglühen ist, bei Temperaturen um 950 °C in neutraler Ofenatmosphäre. Sie wird als erste Graphitisierungsstufe bezeichnet. In der anschließenden zweiten Graphitisierungsstufe wird durch eine geregelte, langsame Abkühlung im eutektoiden Temperaturbereich (760 bis 680 °C) der Austenit in Ferrit + Graphit (Temperkohle) umgewandelt. Man unterscheidet daher bei der Wärmebehandlung von schwarzem ferritischem Temperguss zwei Graphitisierungsstufen, in denen eine Ausscheidung von Kohlenstoff in Form von Graphit (Temperkohle) stattfindet.
Bei der Erzeugung von weißem Temperguss wird das graphitisierende Carbidzerfallsglühen bei etwas höheren Temperaturen um circa 1050 °C durchgeführt, und zwar in einer oxidierenden Ofenatmosphäre, die gleichzeitig eine Entkohlung des Werkstoffes (mit von innen nach außen abnehmendem Kohlenstoffgehalt) bewirkt.
Graphitischer Stahlguss
Mitunter wird auch bei hochkohlenstoffhaltigen Stählen eine Graphitisierungsglühbehandlung vorgenommen, um Graphitausscheidungen in Form von fein verteilter Temperkohle zu erzielen. Solche Werkstoffe haben sehr gute Verschleiß- und Gleiteigenschaften. Es sind hierzu Stahlsorten mit etwa 1,6 % C und mindestens 1,0 % Si sowie geringen Kupfergehalten vorgesehen, die bei ungefähr 950 °C einer Graphitisierungsglühung unterzogen werden. Außerdem wird auch Stahlguss mit Kugelgraphit hergestellt. Hierzu dienen ebenfalls übereutektoide Stahlsorten, die meist mit etwa 1,5 % C und 1,0 bis 1,6 % Si und entsprechender Magnesiumbehandlung (Stahlguss) hergestellt werden.