Gusseisenwerkstoffe mit martensitischem Grundgefüge. Die Martensitbildung ist sowohl im grauen Gusseisen (mit Lamellen- beziehungsweise Kugelgraphit) als auch im weißen Gusseisen ( Hartguss) möglich. In allen Fällen ist eine wirksame Austenitstabilisierung durch Zusatz entsprechender Legierungselemente, vorwiegend Nickel, erforderlich, welche die Austenitumwandlung in niedrigere Temperaturbereiche so verlagern, dass bei der Abkühlung unmittelbar Martensit und nicht etwa Perlit aus der austenitischen Phase gebildet wird (Bild 1).
Das martensitische graue Gusseisen mit Kugelgraphit zeichnet sich durch eine hohe Verschleißfestigkeit aus und wird unter anderem für Walzenguss verwendet. Eine typische Zusammensetzung des martensitischen Gusseisen enthält:
3,10 % C, 0,01 % S, 1,7 % Si, 4,0 % Ni, 0,35 % Mn, 1,0 % Mo, 0,05 % P und 0,05 % Mg.
Nach A. de Sy können dabei 2 % Nickel durch 2 % Kupfer ersetzt werden (Bild 2); das gleiche gilt auch für martensitischen Hartguss (Bild 3), der normalerweise folgende typische Zusammensetzung hat:
3,2 % C, 4,5 % Ni, 0,8 % Si, 1,7 % Cr, 0,5 % Mn, 0,35 % Mo.
Große Bedeutung haben auch die martensitischen Chrom-Molybdän-Gusseisen, die wegen ihrer hohen Verschleißbeständigkeit, kombiniert mit guter Zähigkeit, vor allem für abrasiv beanspruchte Gussstücke in Zerkleinerungs-, Misch-, Förder-, Klassier- und Aufbereitungsanlagen verwendet werden. Träger der hohen Verschleißbeständigkeit sind chromreiche eutektische Mischcarbide vom Typ (Cr, Fe)7C3, die in einer Gefügegrundmasse aus Umwandlungsprodukten des Austenits gemeinsam mit feinverteilten Sekundärcarbiden eingebettet sind. Diese Mischcarbide treten im Gefüge des eutektischen Gusseisens etwa ab 10 % Cr auf; bei Gehalten ab 14 % Cr liegen sie allein vor. Die Grenze, von der ab Zementit gebildet wird, beträgt für 12 % Cr etwa 3,2 bis 3,5 % C und für 14 % Cr etwa 4 bis 4,3 % C; das Auftreten von Zementit, das ein Abflachen des Anstiegs der Verschleißbeständigkeit in Bild 4 bewirkt, soll durch entsprechende Einstellung des Kohlenstoffgehaltes vermieden werden, (Sondergusseisen, chromlegiertes Sondergusseisen). Höchste Verschleißbeständigkeit haben Werkstoffe, bei denen die harten Carbide in einer ebenfalls harten und zähen Grundmasse liegen. Daher wird hier eine martensitische Matrix bevorzugt, die möglichst frei von Restaustenit und perlitfrei sein soll. Da die martensitische Härtung wegen der bei Chromgusseisen bestehenden Gefahr von Härterissen nur mit Abschreckung an ruhender oder bewegter Luft vorgenommen werden soll, werden Werkstoffzusammensetzungen ausgewählt, bei denen auch im größeren Gussstückquerschnitt ein perlitfreies Martensitgefüge durch die Luftabkühlung erreicht wird (Bild 5).
Die Härtbarkeit des Chromgusseisens wird durch Zusätze weiterer Legierungselemente, vor allem Molybdän (auch Kupfer, Nickel, Mangan), gesteigert. Die Härtetemperatur beträgt rund 950 °C. Nach der Luftabkühlung wird zweckmäßigerweise im Temperaturbereich zwischen 200 und 300 °C (mitunter auch höher) angelassen und entspannt. Wenn anstelle einer Bearbeitung durch Schleifen (vorzugsweise Nassschleifen) andere spanabhebende Verfahren angewandt werden müssen, empfiehlt sich ein Weichglühen durch Perlitisierung, indem nach einer Glühung bei 950 °C das Bildungsgebiet des Perlits zwischen 820 und 600 °C langsam durchschritten wird (mind. 30 K/min). Das weichgeglühte Gusseisen kann dann in üblicher Weise wieder gehärtet werden, ohne dass die Verschleißbeständigkeit darunter leidet.
Mit einer Wärmebehandlung können die Werkstoffeigenschaften den Gussstückanforderungen angepasst werden (Tabelle).
Martensitische weiße Gusseisenwerkstoffe mit niedrigem Chrom- und Nickelgehalt – oder auch ohne Nickel – werden der Gruppe 3Mo-2Cr-2Cu-Gusseisen mit folgendem Zusammensetzungsbereich zugeordnet:
- Kohlenstoff 3,0 bis 3,5 %
- Mangan 0,7 bis 1,2 %
- Silizium 0,3 bis 0,7 %
- Chrom 1,5 bis 3 %
- Molybdän 2,0 bis 4 %
- Kupfer 1,5 bis 2,5 %
- Nickel 0 bis 2 %.
Solche Gusseisenwerkstoffe können nicht nur im Elektroofen, sondern auch im Kupolofen erschmolzen werden. Im letztgenannten Fall wird das Molybdän in Form von Ferromolybdän entweder der Charge oder nach dem Abstich der Schmelze zugegeben. Für Gussstücke, die in der Sandform abkühlen, sollten folgende Bedingung eingehalten werden:
Mo % + 1/2 Cu % + Ni % = mind. 4
Ein Spannungsarmglühen der Gussstücke ist nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur bei 200 bis 230 °C vorteilhaft. Werkstoffe mit 3 % Mo und 1 % Ni bei 2 % Cr und 2 % Cu erstarren in Wanddicken bis 100 mm praktisch perlitfrei.
Ein weiterer Werkstoff mit hoher Verschleißbeständigkeit ist das Niob legierte martensitische Gusseisen mit Kugelgraphit. Es wird unter anderem für Kolbenringe verwendet und enthält 3,5 bis 4,0 % C, 2,40 bis 2,90 % Si, 0,20 bis 0,80 % Mn und 0,40 bis 0,60 % Nb. Die hohe Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß beruht auf dem direkt aus der Schmelze sich ausscheidenden, sehr stabilen und harten Niobcarbid, das ohne Einfluss auf die Wärmebehandlung des Gusseisens ist und weder das Härten noch das Anlassen des Martensits stört.
Verschleißbeständiges, weißes Gusseisen ist in der DIN EN 12513 mit drei Werkstofftypen genormt ( verschleißbeständiges, legiertes Gusseisen). Das darin aufgezeigte Chrom-Nickel-legierte Gusseisen ist von einer überwiegend martensitischen Matrix mit einfachen Carbiden M3C und auch komplexen eutektischen Carbiden (M7C3 und M3C) gekennzeichnet.