Spannungsarmglühen

Wärmebehandlung nach DIN EN ISO 4885 zum Abbau innerer Spannungen im Werkstück oder Gussstück. Ein vollständiger Spannungsabbau lässt sich in der Regel nicht erreichen, wohl aber eine nach Temperatur und Glühdauer entsprechend weitgehende Senkung der Spannungen. Daher bezeichnet man dieses Verfahren zweckmäßigerweise als Spannungsarmglühen und nicht als „Spannungsfreiglühen“ oder „Entspannungsglühen“.

Innere Spannungen entstehen durch thermische und mechanische Beanspruchungen, so beispielsweise in Gussstücken schon bei ihrer Abkühlung in der Form und ebenso bei Wärmebehandlungen, insbesondere beim Normalglühen und Härten. Ursache ist dabei die unterschiedlich rasche Abkühlung in Gussstückbereichen mit unterschiedlicher Wanddicke. Dadurch entstehen unterschiedliche Schwindungsbeanspruchungen und elastische Spannungen. Überschreiten sie die Zugfestigkeit, kommt es zur Rissbildung.

Eigenspannungen bauen sich auch in Werk- und Gussstücken auf, wenn sie entsprechend ihrem Verwendungszweck wiederholt thermisch beansprucht werden. Hierzu zählt vor allem hohe Temperaturwechselbeanspruchung. Außerdem können mechanische Beanspruchungen, zum Beispiel durch zerspanende oder verformende Bearbeitung, entsprechend hohe Eigenspannungen im Werk- oder Gussstück erzeugen.

Ein Verfahren, innere Spannungen abzubauen, ist das Spannungsarmglühen. Bild  1 zeigt den Einfluss von Glühtemperatur und Glühdauer auf den Spannungsabbau bei unlegiertem Gusseisen mit Lamellengraphit. Empfohlen werden für diesen Werkstoff Glühtemperaturen von 500 bis 600 °C. Für legiertes Gusseisen mit Lamellengraphit liegen die Glühtemperaturen etwas höher (550 bis 650 °C, je nach Höhe des Legierungsgehaltes). Für Gusseisen mit Kugelgraphit kann man folgende Richtwerte zugrunde legen: 550 bis 650 °C bei ferritischen, 500 bis 550 °C bei unlegierten perlitischen und 500 bis 575 °C bei legierten perlitischen Werkstoffen. Die Haltezeit auf Glühtemperatur beträgt mind. 2 h für Wanddicken bis 25 mm plus mind. 1 h für weitere 25 mm. Die Abkühlgeschwindigkeit soll 20 bis 40 K/h nicht überschreiten, bis etwa 300 °C erreicht sind.

Bild 2 zeigt den Spannungsabbau bei einem legierten Stahl. Spannungsarmglühen ist auch bei Stahlguss wichtig. Formstähle für Druckgießwerkzeuge und Kokillen sind vor dem Härten spannungsarm zu glühen, um innere, durch die Bearbeitung induzierte Spannungen weitestgehend abzubauen, da sie sonst zu einer Verschlechterung der Formstandzeit führen würden. Auch vorvergütete Formstähle und solche, an denen Formreparaturen vorgenommen wurden, sollten spannungsarm geglüht werden, zum Beispiel bei 470 bis 500 °C mit einer Haltezeit von 1 h/25 mm Wanddicke. Im vergüteten Zustand entspricht das Spannungsarmglühen einer weiteren Anlassbehandlung. Sie wird auch als Zwischenglühen bezeichnet und bei gehärteten Formstahl-Bauteilen nach längeren Einsatzperioden vorgenommen, so bei Formeinsätzen in Druckgießformen nach jeweils etwa l0.000 bis 15.000 Schuss.

Bild 1: Prozentualer Spannungsabbau in Abhängigkeit von der Glühtemperatur und Glühdauer bei unlegiertem Gusseisen mit Lamellengraphit© GIESSEREI LEXIKON

Bild 2: Spannungabbau beim Spannungsarmglühen eines unlegierten Stahls in Abhängigkeit von der Glühtemperatur und der Glühdauer© GIESSEREI LEXIKON