Abwanderungspläne in der Industrie

Lagebild im industriellen Mittelstand

„Extrem steigende Energiepreise stellen Industrie vor fundamentale Probleme.“ kommentiert BDI-Präsident Siegfried Russwurm die Ergebnisse der BDI-Blitzumfrage August/September 2022. Und sieben Industrieverbände erklären gemeinsam, dass das aktuelle Entlastungspaket der Bundesregierung unzureichend ist.

Ergebnisse und Standpunkt des BDI

Aus einer aktuellen Umfrage des BDI unter knapp 600 Unternehmen geht hervor, dass diese drei vorrangige Handlungsfelder für die nationale Politik sehen: Energiekosten begrenzen, Bürokratie abbauen, Fachkräftemangel begegnen. 

Mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen sehen in der Energiepreisentwicklung eine starke oder existenzielle Bedrohung. Im Februar lag der Anteil der Unternehmen, die vor existenziellen Herausforderungen standen, bei 23 Prozent, in der aktuellen Umfrage stieg dieser Wert auf 34 Prozent. 

Die fundamentalen Probleme aufgrund der extremen Energiepreise führen dazu, dass ein Fünftel deutscher Industriebetriebe bereits über eine teilweise oder vollständige Abwanderung in das Ausland nachdenkt. 

Bei weiteren 8 Prozent steht die Entscheidung bereits fest. Diese Unternehmen sind nun aktuell dabei, Unternehmensteile und Arbeitsplätze ins Ausland auszulagern. Weitere 12 Prozent wollen zwar keine Unternehmensteile auslagern, jedoch nicht weiter in Deutschland, sondern nur noch im Ausland investieren.

Investitionen in die Klimaneutralität werden bei 40 Prozent der befragten Unternehmen zurückgestellt.

Senkung des Gasverbrauchs ist Zeichen für massive Probleme

Laut Siegfried Russwurm, Präsident des BDI, ist die Senkung des industriellen Gasverbrauchs im Juli um 21 Prozent kein Zeichen für Effizienzgewinne, sondern vielmehr ein Zeichen massiver Probleme. Die Ursache sei der dramatische Produktionsrückgang aufgrund der aberwitzigen Preissteigerungen. 

Die Strompreise für 2023 liegen aktuell auf über 700 Euro pro Megawattstunde. Das entspricht einer Steigerung um das 15-Fache des vergangenen Jahres. Beim Gaspreis erfolgte eine Steigerung um 1.000 Prozent auf über 300 Euro pro Megawattstunde.

Für essenziell hält er die Preisdämpfung beim Strom durch eine möglichst große Verbreiterung des Stromangebots. Das sollte über Erleichterungen für erneuerbare Energien geschehen, aber auch über den übergangsweise vermehrten Einsatz von Kohle- und Kernkraft.

7 Industrieverbände warnen

In einer gemeinsamen Presseerklärung der Industrieverbände Blechumformung (IBU), Massivumformung (IMU) und Härtetechnik (IHT), den Fachverbänden Pulvermetallurgie (FPM) und Metallwaren- und verwandte Industrien (FMI) sowie dem Verband der Deutschen Federnindustrie (VDFI) und dem Deutschen Schraubenverband (DSV) heißt es: „Wir erleben bei unseren meist mittelständischen Mitgliedsunternehmen maximale Unsicherheit. Ohne staatlichen Deckel, ein breiteres Stromangebot und unternehmensorientierte Maßnahmen werden die Energiekosten in Deutschland zum maßgeblichen Standortnachteil. Gleichzeitig brauchen die Mittelständler sofortige Unterstützung durch ihre Kunden.“ 

IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs warnt: „Wenn der Staat die Energiepreise jetzt nicht deckelt, ruiniert er in kürzester Zeit die Unternehmen und viele Tausende Arbeitsplätze.“

Konkret adressiert er zudem liquide Automobilhersteller, die das Problem der Energiekosten zum alleinigen Lieferantenproblem machen. Ihre Strategie könnte allerdings scheitern: Erste Zulieferer denken über ihren Ausstieg aus der automobilen Lieferkette nach.