ifo und Gesamtmetall: Pessimismus im verarbeitenden Gewerbe
Nach 93,0 Punkten im Mai ist der ifo Geschäftsklimaindex im Juni auf 92,3 Punkte gefallen. Das Institut für Wirtschaftsforschung stellt fest, dass Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes merklich pessimistischer auf das zweite Halbjahr blicken. Insbesondere die chemische Industrie ist höchst beunruhigt.
In bestimmten Branchen wie der Baubranche und dem Dienstleistungssektor hat sich die Lage allerdings stabilisiert.
Die Zinsenscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) bewertete ifo-Präsident Clemens Fuest als „einen richtigen Schritt, der aber zu spät kommt. Es war nicht akzeptabel, dass die EZB bei einer Inflation von acht Prozent an Negativzinsen und Anleihenkäufen festgehalten hat.“
Die EZB hatte Anfang Juni angekündigt, das milliardenschwere Anleihe-Ankaufprogramm APP zu beenden. Im Juli soll eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte erfolgen.
Stefan Kooths vom Kieler IfW-Institut kritisierte, die EZB erhöhe die geldpolitischen Risiken unnötig. „Die verkündeten Schritte sind ein überfälliger Anfang, aber eben auch nur das. Die EZB muss dringend weitere Schritte unternehmen, um die Geldpolitik zu normalisieren, denn ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel.“
Die Inflation dürfte auf 6,8 Prozent zulegen, den höchsten Wert seit dem Jahr 1974, und erst im Jahr 2023 auf 3,3 Prozent zurückgehen. Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo-Prognosen, rechnet aber „mit einem allmählichen Rückgang der Rohstoffpreise und der Materialengpässe im zweiten Halbjahr.“
Wie aus der aktuellen Unternehmensbefragung des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall hervorgeht, sehen sich 80 Prozent der befragten Unternehmen „in substanziellem Umfang“ von den hohen Kosten betroffen. Jedes fünfte Unternehmen der Branche bezeichnet seine derzeitige Lage sogar als existenziell gefährdet. Ein knappes Drittel der Firmen gab zudem an, in hohem Maße die Produktion gedrosselt zu haben oder dies im laufenden Jahr noch tun zu müssen. An der aktuellen Branchenumfrage nahmen laut Gesamtmetall mehr als 1400 Unternehmen teil. Sie stehen für rund 42 Prozent aller Beschäftigten der Branche.
Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander warnte insbesondere vor einem Embargo für russisches Gas. Fast jedes vierte Unternehmen gehe bei einem Gas-Stopp von einem vollständigen Produktionsstillstand aus. „Das würde allein 300.000 Beschäftigte in den Betrieben betreffen, die an der Umfrage teilgenommen haben“, sagte Zander.
Clemens Fuest: „In diesem Jahr ist, nach den aktuellen Daten, die Rezessionsgefahr sehr gering. Wenn es zu einem Gasembargo von Seiten Russlands kommt, dann erwartet wir eine Rezession im Jahr 2023.“ Da zur Zeit nicht geheizt wird, sei eine Gasknappheit erst für den Winter zu erwarten. Es ist aber nicht sicher, ob Russland den Gashahn zudreht.
In diesem Zusammenhang stellt der Bundesverband der Deutschen Gießereiindustrie (BDG) kostenlos eine Checkliste zur Verfügung, mit der sich Gießereien auf mögliche Versorgungsmängel oder sogar Versorgungsausfälle vorbereiten können. Dazu gehört auch, dem Versorger die spezifischen betrieblichen Belange mitzuteilen, beispielsweise, wieviel Vorlaufzeit für die jeweiligen Abschaltungen benötigt wird. Ziel der Analyse muss sein, dass Unternehmen über einen abgestuften Plan verfügen, der im Fall einer Gasmangellage angewendet werden kann.
Detailliertere Informationen
BDG-Checkliste zur Gasmangellage
guss.de/bdg-_checkliste_gasmangellage_final.pdf
Ergebnisse der Arbeitgeberumfrage Metall- und Elektro-Industrie gesamtmetall.de/220618_konjunkturumfrage.pdf
ifo Geschäftsklimaindex Juni 2022
ifo.de/2022-06/ku-2022-06-pm-geschaeftsklima-DT_3.pdf