Druckgießen ist zu einem sehr großen Teil ein mindestens teilautomatischer Serienprozess, bei dem große Stückzahlen hergestellt werden. Dadurch erklärt sich die Wirtschaftlichkeit dieses Gießverfahrens. Um dieses Effizienzpotenzial während der gesamten Wertschöpfungskette erhalten zu können, müssen auch die nachgelagerten Arbeitsgänge für den Serienbetrieb und somit für eine größtenteils automatische Fertigung ausgelegt sein. Hierfür werden entsprechende Entgrat- bzw. Bearbeitungsmaschinen benötigt, die mit dafür ausgelegten Vorrichtungen ausgestattet sind.
Seit Generationen ist es üblich, diese Vorrichtungen für die Gussteilnachbearbeitung aus Metall zu fertigen. Die meist hohen mechanischen Beanspruchungen in der Nachbearbeitung von Gussteilen, erfordern einen Aufbau, der diesen Anforderungen auch standhalten kann. Selbst vermeintlich einfache Aufnahmen aus rechtwinkligem Plattenmaterial können einen hohen Aufwand in Planung und Materialkosten bedeuten. Darüber hinaus wird für die gesamte individuelle Fertigung zusätzliches Personal benötigt. Oft werden auch komplexe Vorrichtungen mit konturnahen Aufnahmen nötig, die dann auf kostenintensiven CNC-Anlagen gefertigt werden müssen, sodass die Kosten durch deren Einsatz stark steigen.
Druckgießerei hinterfragt alte Strukturen
Vor diesem Hintergrund entstand bei Matthies Druckguss in Rendsburg die Notwendigkeit, die Prozesse zu optimieren. Die alten Strukturen wurden aufgebrochen, hinterfragt und neu angegangen. Infolgedessen entschied sich die Druckgießerei dazu, das 3D-Druckverfahren in die Prozesse zu integrieren. Die wohl größte Stärke additiver Verfahren ist, dass die Komplexität der gewünschten Geometrie nur noch zweitrangig ist. Richtig angewandt, bietet der 3D-Druck Möglichkeiten, die konventionell nicht erreichbar sind. Gleichzeitig können sie aber auch Teile und Vorrichtungen vereinfachen, teilweise sogar Teile und somit auch Prozesse aus Kostensicht überhaupt erst ermöglichen.
Vor rund einem Jahr begann Matthies Druckguss damit, additive Verfahren im eigenen Unternehmen zu nutzen. Das Unternehmen bot einem Werkstudenten die Möglichkeit an, an den Fähigkeiten des 3D-Druckens zu forschen und die Technologie und ihre Eignung für den Betrieb einzuschätzen. Es standen unzählige Arten des 3D-Druckens zur Auswahl. Die Gießerei möchte Bauteile aus Metall additiv fertigen. Doch ganz nach dem Motto ,,erst das Gehen lernen, bevor man Rennen kann‘‘, beschlossen die Verantwortlichen, sich zunächst mit Kunststoff als Einsatzmaterial zu befassen, das vom Grundsatz günstiger und einfacher zu händeln ist. Hinsichtlich der Verfahrenscharakteristik stand nach ausgiebiger Recherche ganz klar der Filamentdruck (FDM) im Vordergrund. Heute ist der FDM-3D-Druck, mit dem gewonnenen Wissen über das Potenzial dieser Technologie, eine vielseitig eingesetzte Prozesserweiterung.
Die Überlegungen, wo und wie 3D-gedruckte Teile eingesetzt werden können, begann natürlich in der Gießerei. Die raue Umgebung, mit geschmolzenen Metallen und aggressiver Chemie zeigte die ersten Hürden. Kunststoffe sind nur bedingt in der Gießerei einsetzbar. Alles in der Nähe von hoch temperierten Bereichen der Anlagen läuft Gefahr, sich zu verbiegen oder gar zu schmelzen. Für die lange Testphase sind deshalb Abdeckungen und kleinere Hilfselemente angebracht. Der 3D-Druck-Foscher prüfte, wie gut sich simple Teile wie Gehäuse auf Dauer in der Gießerei verhalten und erkannte auch hier Potenziale. So konnten nach ersten Testläufen schnell und kostengünstig Abdeckungen für Sensoren oder Schutzkappen für Kabelverschraubungen hergestellt werden, die sonst, gerade in der aktuellen Zeit, wahrscheinlich mit längeren Lieferzeiten belegt wären.
Der Werkzeugbau und die mechanische Bearbeitung haben gegenüber der Gießerei den offensichtlichen Vorteil der niedrigeren Umgebungstemperaturen. Die 3D-Druckteile müssen neben den auftretenden Kräften also nur noch den Schmierstoffen und der Reinigungschemie standhalten. Eine der Forschungsstationen war die mechanische Bearbeitung und dabei speziell der Bereich der CNC-Drehbearbeitung. Der Werkstudent untersuchte, ob sich Gussteilaufnahmeformen für das Backenfutter eignen.
Die hohen Spannkräfte verurteilten das Projekt eigentlich von vorneherein zum Scheitern und dennoch ist es mit den richtigen Überlegungen gelungen, die 3D-gedruckten Konturen zu nutzen und eine ganze Serie an Gussteilen mit Hilfe der Aufnahmen zu bearbeiten. Auch wenn diese Backen nach der Serie verschlissen und neu gedruckt werden müssen, konnten die Kosten bei dieser Serie um knapp 70 % gesenkt werden. Die reinen Druckkosten für jeden weiteren Satz an Backen belaufen sich im oberen zweistelligen Bereich.
CNC-Fräsen wäre deutlich teurer gewesen
Eine weitere Forschungsstation war die Qualitätssicherung. Im Rahmen einer Prozessautomatisierung der Gussteilvermessung war es nötig, dass Gussteile schnell in eine ganz bestimmte Position und räumliche Orientierung gelegt werden konnten. Mit Hilfe von 3D-gedruckten, konturnahen Aufnahmen konnte dieses Ziel erreicht werden. Einmal eingespannt, können laufend Gussteile in die Aufnahme eingelegt werden und mit einem 3D-Messsystem vermessen, überprüft und auch verglichen werden. Die zeitliche Ersparnis dabei ist groß. Dank der Additiven Fertigung konnten komplexe Konturen von Gussteilen direkt und passgenau gedruckt werden, ohne dass eine Nachbearbeitung nötig wäre. Das CNC-Fräsen von vergleichbaren Aufnahmen wäre um ein Vielfaches teurer gewesen.
Es sind noch viele weitere Projekte in Arbeit und in Planung. Das Potenzial ist bereits im Kunststoffsegment überraschend hoch. Metall-3D-Druck ist aber das eigentliche Ziel der Gießerei. Über einen Partner konnte sich Matthies Druckguss bereits im Vorfeld von den Fähigkeiten gedruckter Stahlbauteile überzeugen. Schritt für Schritt ist das Unternehmen auch in diesem Feld in die Erforschung eingestiegen, um sein Spektrum an Fähigkeiten zu erweitern. Bereits nächstes Jahr ist eine moderne, additive Fertigungsanlage für die Herstellung von Formeneinsätzen geplant.