Simulative Ermittlung der Verzugsvorhaltung
In der Fallstudie wird ein Schweller-Längsträger betrachtet. Dieser befindet sich in der Hinterwagenstruktur des VW Touareg und des Porsche Cayenne. Für den Automobilkonzern VW bestand die Aufgabe darin, den Weg, bis das Bauteil der Zeichnungsvorgabe entsprach, zu optimieren. Hierfür waren vorher unzählige Korrekturschleifen nötig gewesen. Mithilfe der Software MAGMASOFT® wurde eine Lösung erarbeitet, mit der sich die Kosten für Richtvorgänge und evtl. nicht richtbare Ausschussteile erheblich reduzieren ließen.
Hintergrund
Um die Maßhaltigkeit zu gewährleisten, kann ein Vorhalten des zu erwartenden Bauteilverzugs in MAGMASOFT ® betrachtet werden. Hierbei wird die Bauteilgeometrie verzerrt in die Kavität des Gießwerkzeugs eingearbeitet, damit sich das Bauteil bewusst in die Sollgeometrie „verzieht“. Bisher wurde bei VW zur Kalkulation der Verzugsvorhaltung auf Erfahrungswerte zurückgegriffen, oder es wurden Messergebnisse von Abgüssen genutzt, bei denen ein Gießwerkzeug vorhanden sein musste.
Durch die Gießprozess-Simulation lassen sich diese Werte ermitteln, ohne dafür ein Gießwerkzeug fertigen zu müssen.
Vorgehensweise
Die Gießtechnik für dünnwandige Strukturbauteile wurde für eine naturduktile Aluminiumlegierung ausgelegt. Dadurch entfällt eine teure und verzugsfördernde Wärmebehandlung mit anschließendem Richtvorgang.
Bei der Abbildung der Formfüllung und Erstarrung wurden die Temperierung im Simulationsmodell sowie mehrere Aufheizzyklen mit realen Prozesszeiten berücksichtigt. Anschließend wurde der Bauteilverzug innerhalb der Form, zum Zeitpunkt vor und nach Formentnahme, nach dem Abschrecken im Kühlbecken sowie nach Abtrennen von Gießlauf und Überläufen berechnet.
Anhand der Gießprozess-Simulation mit MAGMASOFT ® wurde der Verzug ermittelt und als Geometrie zur Vorhaltung des Werkzeuges verwendet. Das Gießwerkzeug wurde in Bezug auf Bauteil, Gießlauf und Überlauf sowie Formeinsätze neu konstruiert. Zum Abgleich der simulativ ermittelten Vorhaltemaße wurde eine vollständige Prozesssimulation mit der korrigierten Form durchgeführt. In der abschließenden Simulation mit dem virtuell korrigierten Werkzeug zeigte sich, dass die meisten Bauteilbereiche innerhalb der zulässigen Toleranz lagen.
Ergebnis
Nachdem die Form optisch vermessen wurde, um Fehler bei der Formherstellung ausschließen zu können, goss VW die ersten Rohteile und verglich im Anschluss die realen Geometrieabweichungen mit den virtuellen Verzugsvorhersagen.
In der Simulation wurde eine deutliche Reduzierung des Bauteilverzugs vorhergesagt. Nahezu alle kritischen Bereiche des virtuellen Modells lagen innerhalb der spezifizierten Toleranz für Füge- und Anlagenflächen von +/- 0,7 mm.
Das reale Bauteil liegt maßlich vollständig innerhalb der spezifizierten Toleranz und entspricht qualitativ und auch quantitativ der aus der Simulation vorhergesagten Geometrie.
Somit entfallen zusätzliche Korrekturschleifen des Gießwerkzeugs nach dem ersten Abguss bzw. die Ermittlung der Verzugsvorhaltung in der Gießform mithilfe mehrerer Abgussversuche.