Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bewertet Möglichkeiten der Versorgung mit grünem Wasserstoff.
Zu erwarten ist vielmehr, dass grüner Wasserstoff bis 2035 weltweit weniger als 1 % der Gesamtenergie liefern wird, wobei die EU etwas schneller sein und die 1 %-Marke etwa 2030 erreichen könnte.
Langfristig Unsicherheit
Die Wasserstoff-Forschung fokussiert auf Fragen nach geeigneten Anwendungen, Märkten und Sektoren. “Aber bisher hat noch keine Studie mit Blick auf das Angebot von Wasserstoff den Engpass möglicher Ausbaupfade für die Elektrolyse analysiert” erklärt der Hauptautor Adrian Odenweller vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Die weltweite Kapazität der Elektrolyseure muss bis 2050 um das 6000- bis 8000fache wachsen, um einen relevanten Beitrag zur Klimaneutralität leisten zu können. Dies übersteigt den gleichzeitig erforderlichen 10fachen Anstieg der erneuerbaren Energien, die ohne weiteres verfügbar und kostengünstig sind, um ein Vielfaches.
“Der breite Erfolg von grünem Wasserstoff ist keineswegs selbstverständlich. Selbst wenn die Elektrolysekapazitäten so schnell wachsen wie Wind- und Solarenergie, gibt es deutliche Hinweise auf eine kurzfristige Verknappung und eine langfristige Unsicherheit in Bezug auf die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff”, so Falko Ueckerdt, einer der Autoren der Studie.
Das Forscherteam untersuchte die Wahrscheinlichkeit und Durchführbarkeit des Ausbaus der Elektrolysekapazitäten anhand einer Computersimulation, in der tausende mögliche Szenarien durchgespielt wurden. Sie kommen zum Ergebnis: Für einen Durchbruch des grünen Wasserstoffs ist entschiedenes politisches Handeln erforderlich.
Durchbruch nur mit “notfallähnlichen” Maßnahmen?
Es herrschen große Unsicherheiten, die das Investitionsrisiko in Wasserstoffendanwendungen und -infrastruktur erhöhen und die Klimaziele gefährden.
“Es gibt deutliche Hinweise auf eine kurzfristige Verknappung und eine langfristige Unsicherheit in Bezug auf die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff”, sagt PIK-Mitautor Falko Ueckerdt. “Doch während dies den grünen Wasserstoff aus politischer Sicht zu einer riskanten Wette macht, deuten historische Analogien auch darauf hin, dass notfallartige politische Maßnahmen wesentlich höhere Wachstumsraten begünstigen könnten, was den Durchbruch beschleunigen und die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Verfügbarkeit von Wasserstoff erhöhen würde.”
Politische Maßnahmen, die einen raschen Einsatz von Elektrolyseuren mit Kapazitäten im Gigawattbereich ankurbeln, können erhebliche Innovations- und Skaleneffekte freisetzen. Dies würde den Durchbruch des grünen Wasserstoffs ermöglichen und die Wahrscheinlichkeit der künftigen Verfügbarkeit von Wasserstoff erhöhen. Diese Maßnahmen müssten jedoch die Größenordnung notfallähnlicher Investitionen haben, vergleichbar mit der Einführung der Hochgeschwindigkeitszüge in China, der Kriegsmobilisierung der US-Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg oder der marktgesteuerten Einführung von IT-Innovationen wie Smartphones und Internet-Hosts.
Politische Entscheidungsträger dürfen das Potenzial von grünem Wasserstoff jedoch nicht überschätzen, warnt PIK-Mitautor Gunnar Luderer. Die Treibhausgasemissionen lassen sich nur dann wirksam reduzieren, wenn sämtliche kohlenstofffreie Technologien eingesetzt werden. Maßnahmen zur Förderung des Wasserstoffs dürfen nicht dazu führen, dass sich die Einführung anderer Optionen wie Elektromobilität oder Wärmepumpen verzögert.
“Selbst bei einer günstigen Entwicklung in absehbarer Zukunft wird das Wasserstoffangebot viel zu knapp sein, um die Nutzung fossiler Brennstoffe in großem Umfang zu ersetzen. Politische Entscheidungsträger sollten Anreize für Wasserstoff in Sektoren schaffen, in denen es keine anderen Alternativen gibt, wie beispielsweise in der Schwerindustrie oder bei der Energieversorgung in Zeiten geringer Wind- und Solarstromerzeugung.”
Die Studie wurde in Nature Energy veröffentlicht.
Weitere Informationen
Zur Studie:
Adrian Odenweller, Falko Ueckerdt, Gregory Nemet, Miha Jensterle, Gunnar Luderer (2022): Probabilistic feasibility space of scaling up green hydrogen supply. Nature Energy [DOI:10.1038/s41560-022-01097-4]
https://nature.com/articles/s41560-022-01097-4