Restspannungsrelaxation durch Neutronenbildgebung kontrollieren

3D-Druck

Beim Formen, Gießen und Pressen wirken Hitze, Druck und Kräfte auf die zu konstruierenden Bauteile. Diese Einwirkungen können zu mikroskopischen elastischen und plastischen Verformungen, Inkonsistenzen oder Dehnungen und letztendlich zum Reißen und Versagen der Teile führen. Um die Eigenspannungen in den gefertigten Teilen abzubauen und das Gefüge zu homogenisieren, sind nach der Herstellung Wärmebehandlungen üblich, z. B. das Glühen. Beim Glühen werden die hergestellten Teile auf hohe Temperaturen erhitzt, um innere Spannungen zu verringern oder abzubauen.

Wissenschaftler von GE Global Research und der University of California in Berkeley führten Neutronenexperimente zur Entstehung von Eigenspannungen im Zusammenhang mit 3D-Druck durch. Bei der Studie im Oak Ridge National Laboratory (ORNL) stand die Messung von Eigenspannungen während einer Vakuum-Wärmebehandlung im Mittelpunkt. Die Proben wurden mittels laserbasierter additiver Fertigung hergestellt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Laser zum Schmelzen und Abscheiden eines Strukturmaterials verwendet wird. Das geschmolzene Material kühlt schnell ab und härtet aus, bevor eine weitere Schicht darauf aufgebracht wird. Die Folge der hohen Abkühlgradienten beim Laserstrahlschmelzen können hohe Eigenspannungen oder Bauteilverzug sein. Durch Glühen kann die Eigenspannung verringert werden, aber zu viel Wärme kann wiederum unerwünschte strukturelle Veränderungen im Material verursachen.

Ade Makinde, leitender Ingenieur bei GE Global Research sagte: „Mit Hilfe von Neutronen konnten wir während des Glühvorgangs in Echtzeit durch die Ofenwände schauen. Wir konnten beobachten, wo und bei welcher Temperatur die Spannung im Material während der Erwärmung abgebaut wurde. Es ist ein Balanceakt. Wir müssen das Material erwärmen, um die Spannungen zu verringern, aber zu hohe Temperaturen vermeiden, um unerwünschte strukturelle Veränderungen zu verhindern.“

Die Forscher nutzten Neutronenbeugung und Neutronen-Imaging, um die interne Restspannung in den Proben zu ermitteln und um in Echtzeit zu messen, wie das Ausglühen der Teile die Eigenspannung reduziert. Die gewonnenen Daten dienen der Verbesserung der Computermodellierung von Produktionsprozessen, um mechanische Ausfälle bei gedruckten Komponenten zu verringern oder zu vermeiden. 
Das Modell kann zum Beispiel zeigen, wie sich die Änderung der geometrischen Form eines Teils auf dessen Festigkeit auswirkt, oder inwiefern eine Änderung der Laserstrahlbreite oder  geschwindigkeit zu einer Qualitätsverbesserung führt.

„Röntgenbeugungsmessungen können die Dehnungsrelaxation an bestimmten Punkten überwachen. Mit der Neutronenbildgebung können wir jedoch das gesamte Material in Echtzeit und mit sehr hoher räumlicher Auflösung betrachten. Die Daten werden uns bei der Entwicklung von Instrumenten und Datenanalysemethoden für neue, zerstörungsfreie Prüfverfahren helfen.“ sagt Anton Tremsin, Forschungsphysiker an der UC Berkeley.

Die Dehnungs- und Texturschwankungen der 3D-gedruckten Proben wurden während des Spannungsarmglühens bei 700 °C und bei 875 °C in einem Vakuumofen gemessen. Die Gleichmäßigkeit der Verteilung der kristallinen Ebenen, aus der auf die Textur geschlossen werden kann, wurde mit einer räumlichen Auflösung von weniger als einem Millimeter für die gesamte Probenfläche von mehreren Quadratzentimetern abgebildet.

Die Neutronen durchdrangen die Wände des Vakuumofens und bildeten das gesamte Bauteil während des Prozesses ab. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der größte Teil der Verformungsrelaxation bei 700 °C innerhalb der ersten 2 bis 3 Stunden auftritt. Der Spannungsabbau bei 875 °C dauerte nur wenige Minuten.

„Das Ausmaß und die Verteilung der inneren Dehnung standen im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit des Laserstrahls, der Laserleistung und anderen Parametern während der Produktion“, so Ke An, leitender Instrumentenwissenschaftler am Oak Ridge National Laboratory. „Die experimentellen Daten sind von unschätzbarem Wert und ermöglichen ebenso ein besseres Verständnis dafür, wie Teile schneller geglüht werden können, ohne ihre strukturelle Integrität zu beeinträchtigen.“

Das in dieser Studie beschriebene Neutronenbildgebungsverfahren dient der Bewertung der kristallographischen Eigenschaften von additiv gefertigten Materialien. Es ermöglicht die Entwicklung verbesserter Computermodelle, mit deren Hilfe Defekte an Bauteilen vorhergesagt und vermieden werden können.

https://neutrons.ornl.gov

 

Die Ergebnisse mit dem Titel „Monitoring residual strain relaxation and preferred grain orientation of additively manufactured Inconel 625 by in-situ neutron imaging“ wurden in der Zeitschrift Additive Manufacturing veröffentlicht.

Der Artikel kann unter folgendem Link eingesehen werden:

https://doi.org/10.1016/j.addma.2021.102130