Stahl und Aluminium für die E-Mobilität

Trends beim Gießen in der Automobilindustrie

Trends beim Gießen in der Automobilindustrie sind ein Schwerpunkt auf der Gießereifachmesse GIFA vom 12. bis 16. Juni 2023 in Düsseldorf. Im Rahmen der Bright World of Metals werden entscheidende Impulse für die weitere Marktentwicklung von Schlüsseltechnologien gesetzt. Im Fokus stehen die Kernfelder Additive Manufacturing, Industrie 4.0 und Leichtbau in der Automobilindustrie.

Aluminium statt Gusseisen
Laut EU-Beschluss sollen ab 2035 keine Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotor mehr zugelassen werden. Für den Gusseisenbereich bedeutet das, dass der Guss großvolumiger Verbrennungsmotoren auf dem Rückzug ist. Allerdings stehen vor allem die Leichtmetallgießer im Bereich Aluminium und Aluminium-Druckguss der Entwicklung zur E-Mobilität optimistisch gegenüber. „E-Mobilität bedeutet eine Vielzahl neuer Gussteile“, erläutert Franz-Josef-Wöstmann, Abteilungsleiter Technologiefrüherkennung und Verwertung beim Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen. Dazu gehörten Gehäuse für E-Maschinen, Getriebe, Batterien und Leistungselektronik sowie Kühlungssysteme. Dann ist da noch das Thema Leichtbau als klare Domäne von Aluminiumguss. 

Im Gusseisenbereich könnte zukünftig eventuell dünnwandiger Stahlguss für Hochdrehmomentmotoren mit integrierter Kühlung gefragt sein. Momentan entwickele allerdings keiner der OEM in diese Richtung. 

Potenzial von Mega-Casting
Während Tesla und chinesische Hersteller auf die Megacasting-Philosophie mit Maschinen über 12 000 Tonnen Schließkraft setzen, sind die etablierten Hersteller eher zurückhaltend. Laut Wöstmann gebe es noch eine Menge technologisches Potential in Schließkräften unterhalb von 6 000 Tonnen, das eine wirtschaftliche Fertigung bei geringeren Anforderungen an Logistik, Qualitäts- und Produktionssicherheit ermöglicht. „Am Ende wird technologisches Verständnis und Know-how vor Gigantomanie für variantenreiche Produkte stehen“, so Wöstmann.

Prof. Dr.-Ing. Martin Fehlbier, Leiter Gießereitechnik am Institut für Produktionstechnik und Logistik an der Universität Kassel, sieht hingegen einen internationalen Trend zur Fertigung von Großgussteilen auf großen Gießzellen. Die Substitution von bis zu 100 einzelnen Stahlblechteilen zu einem einzigen Gussteil und der Entfall von vielen Fügeprozessen biete einen großen Anreiz. Hinzu komme ein Gewinn von Produktionsfläche bis 30 Prozent, und der Einkauf spare die Beschaffung von bis zu 100 Einzelformen.

Auf der anderen Seite steht die Frage, ob ein Großgussteil nach einem Crash repariert werden kann. Ist die Struktur verzogen oder gebrochen, ist das Fahrzeug mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Totalschaden. Weitere Herausforderungen ergeben sich bei Transport und Wechsel der großen Gießformen, hinsichtlich des Formsprühens der großen Flächen oder aber der Gewährleistung der optimalen Formtemperierung und damit der Formstandzeiten der bis zu 2 Millionen € teuren Werkzeuge. Grundsätzlich sei dies aber alles machbar, sagt Fehlbier. 

Laut Wöstmann darf hingegen bezweifelt werden, dass Mega-Casting den Automobilbau umwälzen wird.

Trend zu größeren Druckgießmaschinen
Wirtschaftlich und technologisch geht der Trend bei Fahrwerk- und Strukturteilen sowie E-Mobilität im Druckguss grundsätzlich zu größeren Schließkräften, also größeren Druckgießmaschinen, wie Johannes Messer von der gleichnamigen Consulting GmbH mitteilt. Leistungsfähigere Druckgießmaschinen erlauben eine wirtschaftlichere Fertigung größerer und komplexerer Autoteile.

Die von Tesla erstmals eingesetzten Druckgießmaschinen vom Typ Giga-Press des italienischen Herstellers Idra bringen mit einer Presskraft von 6 000 bis 9 000 Tonnen das geschmolzene Aluminium in die Form kompletter Hinter- und Vorderwagenteile. Idra war das erste Unternehmen mit Produktionsaufträgen für 9 000-Tonnen-Maschinen, die für SUV- und Kleinlastwagenmärkte eingesetzt werden können. Laut Musk erspart ihm das Mega-Casting bereits 300 Roboter am Fließband. Und während VW rund 30 Stunden bis zur Fertigstellung eines Fahrzeugs benötigt, liegt Tesla mit 10 Stunden Herstellungszeit klar vor der Konkurrenz.

Auch die US-Marktforschungsgesellschaft Ducker sieht im Großguss einen ernstzunehmenden Trend zur Verbesserung der Rentabilität von E-Fahrzeugen. 

Volvo will im schwedischen Torslanda in Mega-Casting für Aluminium-Karosserieteile reiner Elektrofahrzeuge investieren. Der Konzern sieht eine Reihe von Vorteilen in Bezug auf Nachhaltigkeit, Kosten und Leistung während der Lebensdauer des Fahrzeugs. Das Gießen großer Teile der Bodenstruktur des Fahrzeugs als ein einziges Aluminiumteil verringere das Gewicht, was wiederum die Energieeffizienz und damit die elektrische Reichweite des Fahrzeugs verbessere. Zudem reduziert sich die Komplexität des Fertigungsprozesses, was zu Materialeinsparungen und Kostenreduzierung in der Logistik führt. Somit kann durch Mega-Casting der gesamte ökologische Fußabdruck in den Produktions- und Lieferkettennetzwerken verringert werden.

Stahl behauptet auch im Leichtbau seine Stellung
Die aus mehreren Stahlblechteilen zusammengeschweißte Blechkonstruktionen ist die weltweit am häufigsten vertretene Karosseriebauweise, sie gerät jedoch seit einigen Jahren durch Aluminium unter Druck. Im Aluminium-Druckguss lassen sich auch große Gussteile mit komplexer Geometrie wirtschaftlich in hoher Stückzahl fertigen. 

Dennoch kann sich der Werkstoff Stahl gegenüber dem Aluminium dank neuer höchstfester Stähle behaupten, wie Porsche mit der Mischbauweise seines batterieelektrischen Sportwagens Taycan zeigt. Dort schützen warmumgeformte Stähle die Fahrgastzelle, wobei höchste Festigkeit mit optimiertem Gewicht kombiniert wird. Als Highlight gilt der Stirnwandquerträger aus Mangan-Bohr-Stahl.

Insgesamt beträgt der Aluminium-Anteil beim Taycan rund 37 %. Aus Aluminium-Druckguss gefertigt sind Federbeinaufnahme, Achsaufnahme und der hintere Längsträger. Die besonders hoch belasteten Aufnahmen der Pralldämpfer sind aus Aluminium geschmiedet. Auch die komplette Außenhaut ist bis auf die Front- und Heck-Endteile aus Aluminium.

Bei E-Fahrzeugen besteht die Möglichkeit einer Energierückgewinnung durch Rekuperation, wodurch ein extremer und kostenintensiver Leichtbau an Wirtschaftlichkeit einbüßt. Laut dem Aachener Automobildienstleister fka verliert das Thema Leichtbau jedoch mit der E-Mobilität keineswegs an Bedeutung. Die Fahrzeugmasse bestimmt nicht nur entscheidend die Fahrdynamik, sondern auch die Reichweite des Fahrzeugs. Ein niedrigeres Fahrzeuggewicht erlaubt den Einbau kleinerer und leichterer Batterien bei gleicher Reichweite. Gleichzeitig ist Leichtbau ein erheblicher Sicherheitsaspekt im Hinblick auf den Bremsweg.

Mehr Informationen:

Die weltführende Gießereifachmesse GIFA findet im Rahmen der Bright World of Metals vom 12. bis 16. Juni 2023 in Düsseldorf statt.

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