Bronzezeitlicher Meißel aus erstaunlich kohlenstoffreichem Stahl

Stahl wurde in Europa schon vor 2.900 Jahren gehärtet – früher als bisher angenommen

Bronzezeitliche iberische Steinstelen aus Kieselquarzsandstein weisen komplexe Gravuren auf, die nur mit gehärtetem Stahl hergestellt werden konnten. Bis vor kurzem war man noch davon ausgegangen, dass dies erst im Römischen Reich möglich war.

Die metallografische Analyse eines Eisenmeißels, der im portugiesischen Rocha do Vigio gefunden wurde, zeigte, dass die iberischen Steinmetze der letzten Bronzezeit über die notwendigen Werkzeuge verfügten. Laut den Forscher bestand der Meißel aus heterogenem, aber erstaunlich kohlenstoffreichem Stahl. 

Um ihre Ergebnisse zu bestätigen, führten die Forscher auch ein Experiment mit einem professionellen Steinmetz, einem Schmied und einem Bronzegießer durch und versuchten, das Gestein, aus dem die Säulen gefertigt waren, mit Meißeln aus verschiedenen Materialien zu bearbeiten. Der Steinmetz konnte den Stein weder mit dem Stein- noch mit dem Bronzemeißel bearbeiten, nicht einmal mit einem Eisenmeißel mit ungehärteter Spitze.

Nur mit dem Meißel aus gehärtetem Stahl war es möglich, den Stein zu gravieren.

“Die Menschen der letzten Bronzezeit in Iberien waren in der Lage, Stahl zu härten. Andernfalls wären sie nicht in der Lage gewesen, die Säulen zu bearbeiten”, erklärt Araque Gonzalez von der Universität Freiburg, der das internationale und interdisziplinäre Forscherteam leitete.

Bis vor kurzem war man noch davon ausgegangen, dass es in der frühen Eisenzeit – und erst recht in der letzten Bronzezeit – nicht möglich war, Stahl in geeigneter Qualität herzustellen. Es wurde angenommen, dass er erst im Römischen Reich (etwa 200 v. Chr. bis 480 nach Chr.) in Europa verbreitet wurde.

“Der Meißel aus Rocha do Vigio und der Kontext, in dem er gefunden wurde, zeigen, dass die Eisenmetallurgie einschließlich der Herstellung und Härtung von Stahl wahrscheinlich eine autochthone Entwicklung dezentraler kleiner Gemeinschaften in Iberien war und nicht auf den Einfluss späterer Kolonisierungsprozesse zurückzuführen ist. Dies hat auch Konsequenzen für die archäologische Bewertung der Eisenmetallurgie und der Quarzit-Skulpturen in anderen Regionen der Welt”, so Gonzalez.

Die archäologischen Überlieferungen aus dem spätbronzezeitlichen Iberien (ca. 1300-800 v. Chr.) sind in vielen Teilen der Iberischen Halbinsel lückenhaft. Vor diesem Hintergrund sind die westiberischen Stelen mit ihren Darstellungen von anthropomorphen Figuren, Tieren und ausgewählten Objekten von einzigartiger Bedeutung für die Erforschung dieser Epoche.

Die Studie “Steinbearbeitung und der früheste Stahl in Iberien: Wissenschaftliche Analysen und experimentelle Replikationen von Stelen und Werkzeugen aus der letzten Bronzezeit” wurde im Journal of Archaeological Science veröffentlicht.

Hier geht es zum Artikel:

Ralph Araque Gonzalez et al., Stone-working and the earliest steel in Iberia: Scientific analyses and experimental replications of final bronze age stelae and tools, Journal of Archaeological Science, Volume 152, 2023. DOI: 10.1016/j.jas.2023.105742.
sciencedirect.com/science/article/pii/S0305440323000201