Eisen-Kohlenstoff-Zustandsdiagramm

ist ein Doppeldiagramm, in dem das stabile System Eisen-Graphit (gestrichelte Linien) und das metastabile System Eisen-Zementit (ausgezogene Linien) gemeinsam dargestellt sind (Bild 1). Bei der Erstarrung ausgeschiedener Graphit lässt sich durch keine Wärmebehandlung in Zementit umwandeln. Dagegen kann Zementit durch Glühen zum Zerfall in Graphit + Austenit oder Graphit + Ferrit gebracht werden. Mithin ist der Graphit in Eisen-Kohlenstoff-Legierungen stabiler als der Zementit und daher wird das System Eisen-Graphit als stabil und das System Eisen-Zementit als metastabil bezeichnet. Ein perlitisches, graues Gusseisen entspricht einer Kombination beider Systeme, weil die Erstarrung nach dem stabilen System unter Ausscheidung von Graphit erfolgt, danach jedoch die eutektoide Umwandlung im festen Zustand (Austenit Š Perlit) nach dem metastabilen System verläuft.

Metastabiles System Fe-Fe3C:

Zementit (Eisencarbid Fe3C) ist bei allen Temperaturen instabil. Durch Glühen kann der Zementit, je nach Temperatur, zum Zerfall in Austenit oder Ferrit einerseits und Graphit andererseits gebracht werden (Austenit = γ-Mischkristall; Ferrit = α-Mischkristall). Hierauf beruht die Herstellung von schwarzem Temperguss und das Weich- beziehungsweise Ferritisierungsglühen. Bei Raumtemperatur ist der Zementit außerordentlich beständig. Die eutektische Temperatur des metastabilen Systems beträgt 1147 °C und die eutektische Zusammensetzung 4,26 % C oder 64 % Fe3C. Dieses Eutektikum wird auch als Ledeburit bezeichnet. Es besteht aus einem festen Gemenge von Zementit und Austenit (Bild  2). Aus letzterem scheidet sich bei weiterer Abkühlung Sekundärzementit aus, der sich an den schon vorhandenen Zementit anlagert und im Schliffgefüge kaum zu unterscheiden ist.

Bei 723 °C erfolgt die eutektoide Umwandlung des Austenits in Perlit. Er besteht aus α-Mischkristallen (Ferrit) und Zementit (Bild 3). Das Eutektoid hat eine Zusammensetzung von 0,8 % C. Eine Legierung mit 0,8 % C wird eutektoider Stahl genannt. Bei untereutektoiden Stählen (< 0,8 % C) scheiden sich bei der Abkühlung bevorzugt α-Mischkristalle (Ferrit) aus den γ-Mischkristallen (Austenit) aus. Aus letzterem entsteht beim eutektoiden Zerfall Perlit und Tertiärzementit. Diese neugebildete Zementitform ist im Gefüge jedoch kaum erkennbar, da sie sich ebenfalls an den schon im Perlit vorhandenen Zementit anlagert. Dagegen tritt bei Stählen mit weniger als 0,02 % C der Tertiärzementit deutlich in Erscheinung, weil diese Werkstoffe nach vollständiger Abkühlung nur eine ferritische Grundmasse ohne Perlitbildung haben. Hier lagert sich der Tertiärzementit an den Korngrenzen an und wirkt als versprödender Gefügebestandteil. In übereutektoiden Stählen (> 0,8 % C) wird der Sekundärzementit unterhalb der Linie S-E in Bild 1 ausgeschieden, der sich an den Korngrenzen des Austenits anlagert und nach dem eutektoiden Zerfall des Austenits auch den daraus entstandenen Perlit schalenförmig umgibt (Schalenzementit).

Tempergusseisen mit rund 2 bis 3,5 % C ist ein graphitfreies, weiß erstarrtes, das heißt zementithaltiges Gusseisen. Durch anschließende Glühbehandlung (Tempern) des Rohgusses wird der Zementit zum Zerfall gebracht (schwarzer Temperguss) und gegebenenfalls wird auch die entstandene Temperkohle durch entkohlendes Glühen abgebaut (weißer Temperguss).

Stabiles System Fe-Graphit:

Die gestrichelten Linien in Bild 1 stellen das stabile System Fe-C dar. Der gesamte Kohlenstoff wird bei der Erstarrung als Graphit ausgeschieden. Das Eutektikum bezeichnet man als Graphiteutektikum. Bei weiterer Abkühlung scheidet sich Sekundärgraphit aus dem Austenit aus, der sich an die Graphitlamellen des Eutektikums anlagert und von diesen nicht unterscheidbar ist. Der Austenit unterliegt auch hier einem eutektoiden Zerfall, und zwar in Ferrit und Graphit. Der dabei gebildete Graphit lagert sich ebenfalls an den bereits vorhandenen Lamellengraphit an, so dass unter Umständen Ferritsäume entstehen können. Bei ferritischem Gusseisen besteht das Gefüge aus rein ferritischer Grundmasse mit eingebettetem Graphit. Normalerweise lässt sich bei Gusseisen zwar eine Grauerstarrung nach dem stabilen System erzwingen, doch kaum eine eutektoide Umwandlung ausschließlich in Ferrit und Graphit, da mit fortschreitender Abkühlung die Trägheit der Graphitkristallisation erheblich zunimmt. Dies bedeutet, dass der eutektoide Zerfall des Austenits in der Regel mehr oder minder rasch in das metastabile System umschlägt, wobei nun Perlit gebildet wird (perlitische Grundmasse mit Lamellengraphit umgeben von Ferritsäumen). Durch ferrithemmende und perlitstabilisierende Zusätze zum Gusseisen lässt sich ein rein perlitisches Gefüge erzielen.

Einfluss der Abkühlungsgeschwindigkeit:

Mit zunehmender Abkühlungsgeschwindigkeit wird die Schmelze stärker unterkühlt. Bei Überschreiten einer bestimmten kritischen Abkühlungsgeschwindigkeit schlägt das stabile System in das metastabile um und es tritt bei Gusseisen eine Weißerstarrung auf. Die eutektische Erstarrung einer Gusseisenschmelze stellt ebenso wie die Austenitumwandlung eine Entmischung einer homogenen Phase in zwei Phasen dar: in Austenit + Graphit oder Zementit. Die Weißerstarrung beginnt in dem Augenblick, wenn in einem Temperaturbereich die Kristallisationsgeschwindigkeit des Eutektikums Austenit-Graphit geringer ist als jene des Eutektikums Austenit-Zementit. Der Graphit selbst wächst nur sehr langsam, der Zementit dagegen sehr viel schneller. Bei zu hoher Abkühlungsgeschwindigkeit setzt daher eine metastabile Erstarrung ein, und zwar auch dann, wenn schon eine stabile Graphitausscheidung begonnen hat. Im letztgenannten Falle kann es vorkommen, dass das gebildete Graphiteutektikum von Ledeburit umhüllt wird, so dass das typische Bild des melierten Gefüges entsteht (Bild 4). Das gleiche kann auch bei der Austenitumwandlung eintreten, wobei an Stelle eines Ferrit-Graphit-Eutektoides nunmehr ein ferritisch-perlitisches Mischgefüge gebildet wird. Die beiden für Gusseisen möglichen Arten der eutektischen Erstarrung sind in Bild 5 schematisch dargestellt. Die eutektische Reaktion nach dem stabilen System Eisen-Graphit und jene nach dem metastabilen System Eisen-Eisencarbid (Zementit). Die Schwierigkeiten, die mit der Keimbildung der Graphitphase (Grauerstarrung) bestehen, haben jedoch meist eine mehr oder minder ausgeprägte Unterkühlung unter die eutektische Temperatur des stabilen Systems zur Folge. So zeigt Bild 6 die Abkühlkurve eines noch vollständig grau erstarrenden Gusseisens und seines Erstarrungsablaufes. Der zuerst auftretende Haltepunkt entspricht der Primäraustenitausscheidung. Danach kühlt das Eisen weiter ab bis unter die eutektische Temperatur des stabilen Systems, und zwar so tief, bis eine genügend starke Unterkühlung zur Keimbildung des Graphits erzielt worden ist, ohne jedoch die eutektische Temperatur des metastabilen Systems zu erreichen. Die bei der eutektischen Reaktion frei werdende Schmelzwärme verursacht einen Temperaturanstieg (Rekaleszenz), doch sinkt später infolge des fortgesetzten Wärmeflusses zur Gießform die Temperatur wieder ab und die Erstarrung endet noch oberhalb der eutektischen Temperatur des metastabilen Systems. Das Gefüge besteht aus Austenit und A-Graphit (Lamellengraphit), frei von Carbiden (Zementit).

Bei weiterer Abkühlung erfolgt dann die eutektoide Reaktion des Austenits in Ferrit und/ oder Perlit + Graphit, so dass das Gefüge bei Raumtemperatur frei von Carbiden und Weißerstarrung ist (Bilder 7 und 8). Mit zunehmender Unterkühlung unter die eutektische Temperatur des stabilen Systems Eisen-Graphit wird die Graphitausbildung feiner, das heißt sie ändert sich vom A-Graphit zum B-Graphit (Rosettengraphit, Bild 9) und gegebenenfalls weiter zum D-Graphit (Unterkühlungsgraphit oder interdendritischen Graphit). In der Abkühlkurve zeigt sich eine entsprechend stärkere Unterkühlung infolge ungenügender Keimbildungstendenz (Bild  10). Bei höherer Abkühlgeschwindigkeit kann das Eisen bis unter die Temperatur des metastabilen Systems Eisen-Zementit abkühlen, so dass sich Eisencarbid (Fe3C) zu bilden vermag. Dies trifft vor allem in dünneren Querschnitten und an Gussstückkanten zu (Kantenhärte infolge Carbidausscheidung). Wird bei der eutektischen Reaktion viel Wärme frei, kann die Temperatur der Restschmelze wieder über die eutektische Temperatur des metastabilen Systems steigen und Grauerstarrung auslösen (Bild  11). Das Ergebnis ist ein meliertes, weiß-grau erstarrtes Gefüge. Bleibt es jedoch bei der Weißerstarrung unterhalb der eutektischen Temperatur des metastabilen Systems (Bild  12), entsteht das Gefüge eines typisch weißen Gusseisens (Bild  13). Carbide können auch erst später, gegen Ende des Erstarrungsvorganges, gebildet werden. Mit fortschreitender eutektischer Erstarrung wird in der Regel genügend Wärme frei, um die Temperatur anzuheben (Rekaleszenz), aber gegen Ende der Erstarrung nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit ab und die Temperatur beginnt wieder zu fallen. Dabei kann es vorkommen, dass die verbliebene Restschmelze unter die eutektische Temperatur des metastabilen Systems abkühlt und Carbide gebildet werden (Bild 14). Sie bauen sich an den Grenzen der bereits gewachsenen eutektischen Körner auf (Bild 15). Es bilden sich Korngrenzencarbide.

Die Grauerstarrung nach dem stabilen System kann durch langsame Abkühlung und durch graphitisierend wirkende Zusätze zur Gusseisenschmelze gefördert werden, die den Temperaturbereich zwischen der stabilen und der metastabilen eutektischen Erstarrung erweitern und die Kohlenstofflöslichkeit vermindern (Si, Al, Cu, Ni). Carbidbildende Elemente, wie Mn, Cr, Mo, W, Ta,V und Nb, erhöhen dagegen die Löslichkeit des Kohlenstoffes und vermehren die Neigung zur Weißerstarrung, wobei gleichzeitig die Zahl der eutektischen Körner abnimmt. Außerdem gibt es aber auch solche Schmelzzusätze, die zwar bei der Erstarrung graphitisierend wirken, bei der Austenitumwandlung aber entgegengesetzt, also perlitisierend, wie beispielsweise Kupfer und Nickel. Die Weißerstarrung lässt sich in erster Linie durch gezielten Zusatz von Keimen für den Graphit vermeiden oder zurückdrängen, so insbesondere durch Zugabe von Silizium oder Calcium-Silizium. Diese Verfahrensweise wird als Impfen bezeichnet. Durch die Anwesenheit von Silizium wird also die Erstarrung nach dem stabilen System (Austenit/Graphit) begünstigt, weil die Gleichgewichtstemperatur für das metastabile System herabgesetzt wird. Den Verlauf der stabilen und metastabilen eutektischen Rinne des Systems Eisen-Kohlenstoff-Silizium zeigt Bild  16. Es zeigt, dass mit steigendem Siliziumgehalt das Graphit/Austenit-Eutektikum vor dem Zementit/Austenit-Eutektikum bevorzugt wird, das heißt bei höherem Siliziumgehalt kann auch bei höheren Abkühlraten noch ein grau erstarrtes Gussstück erzeugt werden. Bei konstanter Abkühlungsgeschwindigkeit und gegebener Gussstückwanddicke, kann man somit grundsätzlich durch eine geeignete Wahl der Zusammensetzung und Schmelzebehandlung ein weißes, meliertes oder grau erstarrtes Gusseisen mit ferritischem oder perlitischem Grundgefüge erhalten. Der Erstarrungsverlauf des Gusseisens ist darüber hinaus von der Zahl der Keime in der Schmelze und von der Wachstumsgeschwindigkeit der eutektischen Körner abhängig. Die Keimzahl kann ihrerseits durch die Zusammensetzung und Reinheit der Schmelze, durch die Temperatur und Schmelzdauer sowie durch die Art und Geschwindigkeit der Abkühlung beeinflusst werden.