Nitrieren

Thermochemische Behandlung von Stahl, Eisen- und Sinterwerkstoffen zur Erzielung einer mit Stickstoff angereicherten Oberfläche. Hierbei erfolgt das Glühen in Stickstoff abgebenden Medien. Durch das Eindiffundieren des Stickstoffs in den Werkstoff entsteht eine dünne Randzone mit Nitriden, die sehr hart sind und dem nitrierten Werkstück hohe Oberflächenhärte verleihen. Diffundiert zusätzlich Kohlenstoff in die Randschale ein, so spricht man von Nitrocarbonitrieren. Davon zu unterscheiden ist das Carbonitrieren, bei dem in erster Linie Kohlenstoff eindiffundiert und durch den Stickstoff die Kohlenstoffdiffusion beschleunigt wird. Das Nitrieren wird allerdings nur bei solchen Stählen angewandt, die bestimmte Legierungsbestandteile besitzen, die submikroskopische Nitride hoher Härte bilden, zum Beispiel 1 % Aluminium oder 1 bis 2 % Chrom. Im unlegierten Stahl würde beim Nitrieren nur grobnadeliges Eisennitrid entstehen, das keine genügende Härte aufweist. Der besondere Vorteil des Nitrierens besteht darin, dass die Oberflächenhärtung ohne Abschrecken erreicht wird. Die beste Nitrierwirkung wird im vergüteten Zustand erzielt. Das Nitrieren erfolgt bei Temperaturen von 500 bis 550 °C, die wesentlich niedriger liegen als beim Abschreckhärten. Als Nitriermittel dienen stickstoffabgebende beziehungsweise stickstoffhaltige Gase, zum Beispiel Ammoniak (NH3), die in einen gasdichten Wärmebehandlungsofen eingeleitet werden (Gasnitrieren), oder stickstoffabgebende Salzbäder (Badritrieren). In beiden Fällen wird atomarer Stickstoff durch die katalytische Wirkung des Eisens abgespaltet, der in das Glühgut diffundiert.

Gasnitrieren

Bei Temperaturen über 400 °C zerfällt das Ammoniak in Gegenwart von Eisen in Stickstoff und Wasserstoff. Dabei wird die Werkstückoberfläche mit Stickstoff angereichert. Um hohe Oberflächenhärte zu erreichen, muss die Aufstickung zur Entstehung von Sondernitriden führen, die besonders von den Elementen Aluminium, Chrom und Vanadin mit dem im status nascendi vorliegenden Stickstoff gebildet werden. Daher sind für dieses Verfahren mit Aluminium, Chrom oder Vanadin schwachlegierte Stähle, entwickelt worden, um auf diese Weise Konstruktionsteile mit sehr harten und verschleißfesten Oberflächen ohne Abschrecken zu erhalten. Die Nitriertemperatur liegt zwischen 500 °C und 520 °C. Die Nitrierdauer richtet sich nach der geforderten Nitriertiefe und kann bis zu 100 h betragen.

Ein Sonderverfahren ist das Nikotrieren, das in einem Schutzgasofen durchgeführt wird. Als Schutzgas dient Endogas, das Ammoniak zugesetzt wird. Bei der Spaltung des Ammoniaks an der Werkstückoberfläche diffundiert atomarer Stickstoff ein. Als Vorteile des Verfahrens sind zu nennen, dass kein Belag entsteht, der ein späteres Polieren der nitrierten Teile stören würde, und keine Spannungsrisse auftreten, vor allem bei größeren Teilen. Die Nitriertiefe beträgt etwa 0,1 mm.

Pulvernitrieren

Bei diesem Verfahren werden die Werkstücke zusammen mit Kalkstickstoffpulver (CaCN2), das wasserdampfabspaltende Zusätze enthält, in gasdichte Behälter gepackt und auf etwa 570 °C erhitzt. Der frei werdende Wasserdampf setzt sich mit dem Kalkstickstoff zu Ammoniak um, und die Aufstickung erfolgt dann wie beim Gasnitrieren. Kalkstickstoff hat den Vorzug, dass er ungiftig ist.

Plasma-Nitrieren

kann bei niedrigeren Temperaturen bis hinab zu 350 °C vorgenommen werden. Dabei bildet sich eine Verbindungsschicht aus γ-Fe4N mit einer Dicke unter 10 µm, an die sich eine Stickstoff-Diffusionsschicht anschließt.

Plasmatechniken zeichnen sich vor allem durch eine hohe Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und hohe Flexibilität aus.

Ionitrieren

Die Aufstickung erfolgt in einem evakuierten Behälter, der mit Stickstoff gefüllt wird. Das Werkstück wird als Katode und der Vakuumbehälter als Anode geschaltet. Durch Anlegen einer Spannung entsteht eine Glimmentladung, und das Werkstück wird durch die Ionenbombardierung aufgeheizt (ohne Fremdbeheizung). Die Behandlungstemperatur liegt bei etwa 550 °C. Die mit hoher kinetischer Energie auf die Werkstückoberfläche auftreffenden Ionen lösen Eisenatome ab, und ein Teil davon verbindet sich mit dem ionisierten Stickstoff zu Eisennitriden, die sich zum Teil auf dem Werkstück niederschlagen und so die Aufstickung herbeiführen.

Durch Nitrieren und Nitrocarbonitrieren werden die Dauerschwingfestigkeit und der Widerstand gegen Oberflächenzerrüttung beziehungsweise Grübchenbildung erhöht. Die Nitrierschicht bewirkt einen besonders hohen Widerstand gegenüber adhäsivem Verschleiß und adhäsiv bedingtem Fressen, wenn der Gegenkörper aus Stahl besteht. Ferner wird die Korrosionsbeständigkeit von niedrig legierten Stählen erhöht.