Viele Gießereien allerdings nutzen die Additive Fertigung bereits selbst. Meist, um Prototypen oder Formen herzustellen, sowie auch für Reparaturen und Ersatzteile. Wenn es um wirtschaftliche Großserien geht, ist der 3D-Druck keine Konkurrenz, weil die Verfahren zu teuer und zu langsam sind. Aber bliebt das auch so? Forschende arbeiten unter Hochdruck daran, die Geschwindigkeit zu steigern und Materialkosten zu drücken, beziehungsweise neue Materialien zu entwickeln.
Kluge Köpfe tüfteln bereits hybride Prozessketten aus herkömmlichen Verfahren und Additiver Fertigung aus. Gießereien, die zuliefern und den neusten Stand der Technik verfolgen, können Auftraggebern womöglich innovative Angebote machen, die ihnen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil bringen können. Die 3D-Druck-Branche wächst und das Thema Serienfertigung rückt immer mehr in ihren Fokus. Das lässt sich auch am Programm der beiden kommenden Fachveranstaltungen der Branche ablesen. Vom 21. bis 22.7.2021 findet das virtuelle „Additive Manufacturing Forum“ statt. Laut Veranstalter die „europäische Leitkonferenz“ der Branche. Am zweiten Konferenztag werden sicher einige Fachbesucher hin- und her surfen, denn die digitale Fachveranstaltung „Rapid Tech 3D“ findet vom 22. bis 23. Juni 2021 statt. Auf beiden Veranstaltungen ist die Serienfertigung ein zentrales Thema.
Wie sieht die deutsche Industrie die Additive Fertigung? Vier von zehn Industrieunternehmen nutzen bereits den 3D-Druck, zeigt eine Studie des Digitalverbands Bitkom. Befragt wurden dazu 551 Unternehmen ab 100 Mitarbeitern. Unter 242 Industrieunternehmen, die Additive Fertigung bereits einsetzen, gab die größte Gruppe von 57 Prozent an, dass sie das Verfahren für die Herstellung von Mustern oder Gießformen nutzt. Unter ihnen ist die Gießereibranche sicher stark vertreten.
Wirtschaftliche Performance für den 3D-Druck
Blicken wir mal tief in die Branche hinein: Beim Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler etwa forscht Carsten Merklein mit seinem Team unter anderem daran, wie sich die Additive Fertigung in die Serie einbinden lässt. Er ist Leiter der Abteilung Advanced Manufacturing Technologies und sagt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Additive Fertigung auch in Serien zu wirtschaftlicher Performance finden wird.“ Dabei sei wichtig, dass nicht nur der Prozess effizient sei, sondern auch „und dies in sehr großem Maße“ das richtige Design für einen wirtschaftlichen Erfolg entscheiden sei. „Für die Serie sind darüber hinaus immer die Aspekte Qualitätssicherung und Prozessfähigkeit von großer Wichtigkeit“, erklärt Merklein.
Die Schnelligkeit ist bislang einer der größten Hemmnisse für eine Serientauglichkeit des 3D-Druck. Doch die Druckerhersteller schlafen nicht und arbeiten unter Hochdruck daran, die Geschwindigkeit der Verfahren zu erhöhen. Aber auch die Materialien für den Druck von Metallbauteilen sind ein Knackpunkt. Bislang sind beispielsweise Metallpulver, die für 3D-Druckverfahren im Pulverbett benötigt werden, deutlich teurer als die Metalle, die Gießereien einschmelzen. Die Kosten werden allerdings in Zukunft wahrscheinlich deutlich sinken. Besonders interessant sind aber die Möglichkeiten, neue Materialien zu entwickeln. Hersteller wie BASF arbeiten daran. Dr. Ing. Tobias Rödlmeier, Business Development Manager Metal Ecosystem bei BASF Forward AM stellt ein Beispiel vor: „Wir haben ein neues einzigartiges Filament auf den Markt gebracht, bei dem Metallpulver mit einem Polymerbindemittel vermischt wird. Dieses Material ermöglicht den sicheren und kosteneffizienten 3D-Druck von Metallteilen in 17-4 Edelstahl mit gängigen FFF (Fused Filament Fabrication)-Druckern. Das neue Filament (Name: Ultrafuse® 17-4 PH) wurde speziell für Anwendungen entwickelt, die besondere Härte und mechanische Festigkeit benötigen wie der Werkzeug- und Vorrichtungsbau sowie funktionale Prototypenerstellung – für die unterschiedlichsten Branchen.“ Rödlmeier fügt außerdem noch eine weitere spannende Möglichkeit hinzu: „Mit der Fused Filament Fabrication Technologie ist man in der Lage, innerhalb eines Bauteils verschiedene Materialien an beliebiger Stelle zu platzieren und zu kombinieren.“ Zurzeit arbeiten weltweit Wissenschaftler und Unternehmen daran, die additive Fertigung in die Serienproduktion einzubinden, dabei ist es wichtig zu beachten, dass die unterschiedlichen Prozessschritte ohne Effizienzverluste ineinandergreifen.
An der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus Senftenberg arbeiten zurzeit Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in dem Forschungsprojekt „3DLab“ an der Überführung von additiv gefertigten metallischen Bauteilen in die industrielle Fertigung. Die BTU Cottbus hat dafür 15 Millionen vom Bund erhalten.
Einbindung in die Prozesskette
„Wir möchten die Additive Fertigung in die Prozesskette einbinden“, erklärt Dr.- Ing. Alexander Sviridov, Oberingenieur am Lehrstuhl Konstruktion und Fertigung des Leichtbauzentrums Panta Rhei an der BTU. Das Projekt soll bis zum Ende des Jahres 2021 laufen. „Will man die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten, muss man die gesamte Prozesskette betrachten. Also blicken wir nicht nur auf die Additive Fertigung, sondern beziehen in unsere Forschungen alle Prozessschritte mit ein: von der Herstellung des Ausgangsmaterials über die Verfahren zur Bauteilfertigung, bis hin zur Nachbearbeitung. Nur so können wir feststellen, ob ein additives Verfahren wirtschaftlich ist.“ „Es liegt in der Natur der Additiven Fertigung, dass sie für Großserien oft weniger geeignet ist als die konventionellen Verfahren“, meint Sviridov. Aber er sehe auch, dass sich die moderne Fertigung in Richtung der Produktion von Varianten und kleiner bis mittlerer Serien entwickle. „Da bietet die Additive Fertigung mehr Flexibilität. Und vielleicht gibt es in Zukunft auch keine Großserien mehr“, gibt der Forscher zu bedenken.
Am Lehrstuhl Konstruktion und Fertigung, dem Sviridov angegliedert ist, untersuchen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen neben der Additiven Fertigung auch andere Verfahren wie beispielsweise das Umformen. „Wir arbeiten auch daran, diese Verfahren miteinander zu kombinieren, um Hybridbauteile herzustellen, deren Kern beispielsweise durch Umformung gefertigt und dann mit Additiver Fertigung ergänzt wird. Das ist vor allem für Bauteile mit komplexen Geometrien sinnvoll, die sich mit Umformen nur schwer herstellen lassen. Sie komplett additiv zu fertigen, wäre hingegen zu langsam.“
Deshalb ist der Ingenieur auch davon überzeugt, dass die Additive Fertigung Verfahren wie das Gießen oder Umformen nicht komplett ersetzen wird: „Für bestimmte Teile werden sich Nischen bilden, in denen jeweils die Additive Fertigung, das Gießen oder das Umformen das vorherrschende Verfahren sein wird“, prognostiziert er.
Auch der Spezialist für Additive Fertigung bei Schaeffler, Carsten Merklein ist davon überzeugt, dass Gießereien den 3D-Druck nicht fürchten müssen: „Ich sehe die Additive Fertigung im wahren Wortsinn als „additiven“ Beitrag zum Portfolio der Fertigungstechnologien. Es wird sicherlich Bereiche geben, wo allein über das Design der Einsatz der Additiven Fertigung unabdingbar ist. Auch in Abhängigkeit von der Größe ergeben sich bei der Additiven Fertigung Einschränkungen gegenüber Guss. Kurzum: Wenn sich Gießereien mit der Additiven Fertigung nicht als Bedrohung, sondern als Chance auseinandersetzen, sehe ich sogar Potenziale für eine Beschleunigung der Marktdurchdringung. Dies kann und wird auch wertvolle Impulse für Themen wie Qualität und Effizienz bringen. Daher meine Empfehlung an die Gießereien: Nehmen Sie sich der Additiven Fertigung an!“
Das kann sich auch in Pandemiezeiten auszahlen, wie die Befragung des Digitalverbands Bitkom zum 3D-Druck in der deutschen Industrie zeigt: Von 551 befragten Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern gaben 43 Prozent an, dass sie durch Additive Fertigung eine größere Flexibilität in der Produktion erreicht haben. 38 Prozent haben mit dem Verfahren Lieferengpässe für kritische Bauteile überbrücken können. Auch geringere Ausgaben (21 Prozent) und weniger Vorratslagerung (19 Prozent) waren häufig genannte Vorteile. Auf zwei Beinen steht es sich besser, besonders in turbulenten Zeiten.