Anorganische Formstoffbinder

Beschreibung der Entkernbarkeit umgossener organisch und anorganisch gebundener Sandkerne mittels eines Zerfallsratenkriteriums

Der Zerfall von Sandkernen nach dem Gießen ist bislang wenig untersucht. Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren ist dessen Ermittlung auch nur gering standardisiert. Neben Restfestigkeits untersuchungen thermisch beanspruchter Kerne sind verschiedene Versuchsanordnungen zur Ermittlung der Entkernbarkeit bekannt. Prozesszeiten, aber nicht der resultierende Zerfallsgrad der Kerne werden dabei ausgewertet. Daher wird die Anwendung eines Zerfallsratenkriteriums für organisch und anorganisch gebundene Kerne vorgestellt, um die Entkernbarkeit mit Bezug zur eingesetzten Rezeptur quantitativ zu erfassen. Der Einfluss von Prozessvariationen auf unterschiedliche Kerntypen wird dargestellt. Neben der deutlichen Wirkung thermischer und atmosphärischer Bedingungen wurde die Bedeutung der Sprödheit von Kernen demonstriert. Einleitung Zur Beurteilung des Zerfallsverhaltens werden unterschiedliche Methoden angewandt. Am weitesten verbreitet und schnell umsetzbar sind Restfestigkeitsuntersuchungen an thermisch konditionierten Sandkernproben. Ausschlagversuche von eingegossenen zylindrischen Druckprobekernen wurden in diversen Arbeiten des polnischen Gießereiinstitutes vorgestellt [1, 2], wobei die Ausschlagenergie über die Schlagzahl auf den Kern bestimmt wird. Praxisnahe Entkernversuche von Probekörpern liegen beispielsweise von Untersuchungen der AFS vor [3], inklusive Studien zur Entsandungsdauer für unterschiedliche Systeme. Bezüglichthermischer Schädigung wurden auch Kerntauchversuche in Schmelze mit anschließender Beurteilung der ersetzten Kernoberfläche dokumentiert [4]. An realen Bauteilen sind im Zuge einer Prozessentwicklung bzw. bei Änderungen an der Kernzusammensetzung stets Entkernversuche zur Validierung einer erforderlichen Sauberkeit nötig. Bauteilversuche sind in der Gusspraxis nach wie vor unverzichtbar und die nahezu einige zuverlässige Möglichkeit, um die Entkernbarkeit zu ermitteln. Dafür konnten in der Fachliteratur Empfehlungen gefunden werden, u.a. Knollengrößen des Entkerngutes und das Ausmaß von Oberflächenanhaftungen mit zu betrachten [5]. Eine weitere Differenzierung über das Ergebnis des Sandkernzerfalls ist bislang nicht dokumentiert. Umgossene Kerne werden lokal sehr unterschiedlich beansprucht. Haupteinflüsse sind die Strömungsverhältnisse der Schmelze, Wandstärkenvariationen von Guss und Kern und sich daraus ergebende den entstehenden Heiz- und Kühlraten. Allfällige Oberflächeneffekte durch Penetration oder chemische Affinität der Kerne mit der Schmelze können zu einer intensiven Verbindung führen. Im Zuge der Bauteilabkühlung entsteht eine überlagerte mechanische Belastung durch die Schwindung des Gussstücks und lokale Ausdehnung des Kerns. Im Inneren von Gussteilen entstehen durch Kerngasedominierte atmosphärische Verhältnisse. Organische Kerne unterliegen naturgemäß einem thermisch induzierten Zerfall. Die Natur anorganischer Binder, die dem heutigen technischen Stand entsprechend zumeist auf Silikatbasis entwickelt sind, ist eine thermische Beständigkeit bis zu einer Erweichungstemperatur[6]. Daher kann für Temperaturen deutlich unterhalb der Erweichung (ca. bis 600 °C) kein thermischer Schädigungsbeitrag erwartet werden. Zudem bestehen kommerziell verfügbare anorganische Bindersysteme neben dem Binder auch aus Additive zur Modifizierung der Anwendungseigenschaften[7]. Aus anwendungstechnischer Sicht unterliegen diese Bindemittel, aber auch organische Bindemittel einer stetigen Weiterentwicklung. Aufgabenstellung Die kontinuierliche Entwicklung der Kernformstoffe erfordert neben allen Aspekten der Kernherstellung, Lagerung, des maßgetreuen Gießens auch eine ständige Beobachtung der Entsandungseigenschaften. In dem Beitrag wird ein Zerfallsratenkriterium für die quantitative Beurteilung der Entkernbarkeit vorgestellt, um eine messbare kernbezogene Größe zu erhalten. Anhand von Produktbeispielen mit organisch und anorganisch gebundenen Kernen im Al-Kokillenguss und unter Anwendungunterschiedlicher thermischerBeanspruchung wird die Sensibilität des Kriteriums demonstriert. Experimenteller Teil Ein Probegusskörper mit eingegossenem keilförmigem Versuchskern wurde über Kokillenguss hergestellt. Dadurch wurde die Notwendigkeit einer Zerstörung des Kernes erzwungen. Der Gießprozess erfolgte temperaturkontrolliert und wurde in [8] beschrieben. Drei unterschiedliche thermische Verhältnisse wurden nach dem Gießen von Probekörpern angewandt: 1. natürlich an Luft, 2. beschleunigt im Wasserbad sowie 3. verzögert unter Isolationsmaterial. Zusätzlich, zur Ermittlung der ursprünglichen Kerneigenschaften, wurde Kernsand in entleerten Gusskörpern direkt ausgehärtet und ausschließlich thermisch vorbelastet. Jeglicher Beitrag durch Thermoschock und Gussschwindung entfiel dadurch. Die Entkernung solcher art hergestellter Probekörper erfolgte auf zwei unterschiedlichen Versuchseinrichtungen:einem Vibrationsrütteltisch, vorgestellt in [8], und einer industriellen Hammerstation. Schwingungsmessungen wurden zur Charakterisierung der maximalen Beschleunigungsamplituden vorgenommen. Für den Vibrationsstand wurden maximal 100 g, für eine mit Gummimatten gedämpft betriebene Hammerstation wurden 5 000 g an einem instrumentierten Probekörper ermittelt. Die Dämpfung wurde eingebracht, um die zeitliche Auflösung der Entsandung zu verbessern. Die Sandmasse wurde über eine Digitalwaage kontinuierlich erfasst. Für die Vibrationsentkernung war das in1 -s-Intervallen und für die Hammerentkernung in 2,5 -s-Intervallen möglich. Die Daten ließen die Auswertung einer minimalen Entsandungsrate zu. Das Entkerngut wurde vollständig aufgefangen und bezüglich Knollenanteil und Korngrößenverteilung analysiert, die die weiteren wesentlichen Grundlagen für das Zerfallsratenkriterium laut [8] darstellen. Dieses Prinzip lässt sich für jeden beliebigen Versuchsaufbau umsetzen. Quarzsandkerne mit einem Furan-Warmboxbinder und mit einer Na-Silikatlösung, beide Systeme warm ausgehärtet, wurden verglichen. Verhalten von Furan Warmbox-Kernen Die Furan-Warmbox (FW) Kerne zeigten auf dem Vibrationsprüfstand eine äußerst geringe Zerfallsrate, sowohl für thermischbehandelte als auch für umgossene Kerne. Dies wird auf den mangelnden Luftaustausch in der Probengeometrie zurückgeführt. Eventuelle Sekundärbindungen durch volatile Komponenten könnten zu einer erhöhten Festigkeitebenfalls beitragen. Aus Restfestigkeitsuntersuchungen kann dieser Effekt nicht erklärt werden, da die Proben nach 400 °C Beanspruchungstemperatur bereits kaum manipulierbar sind. Die Proben wurden erfolgreich mit differenzierten Ergebnissen auf der Hammerstation entkernt. Verhalten von wasserglasgebundenen Kernen Die wasserglasgebundenen Kerne wiesen auf dem Vibrationsprüfstand eine gute Entkernbarkeit auf. Für die thermischbeanspruchten Kerne nahm die Zerfallsrate mit zunehmenden Temperaturen auch zu. Die umgossenen Kerne zeigten weiter erhöhten Zerfall mit kleineren Knollen. Eine abnehmende Festigkeit von wasserglasgebundenen Kernen für Temperaturen bis zu 600 °C ist bekannt und hat sich in der Zerfallsrate ebenfalls gezeigt. Die Ursache dafür wurde bislang zwar häufig dargestellt (u. a. Gettwertet al. 1959 [9]), jedoch kaum diskutiert. Neben Trocknungsreaktionen kommt hier eine mechanische Schädigung des spröden Binders durch die hohe thermische Ausdehnung von Quarz zum Tragen. Aus Restfestigkeitsuntersuchungen kann dieser Effekt nicht erklärt werden, da die Proben nach 400 °C Beanspruchungstemperatur bereits kaum manipulierbar sind. Die Proben wurden erfolgreich mit differenzierten Ergebnissen auf der Hammerstation entkernt. Diskussion des Zerfallsratenkriteriums Das Zerfallsratenkriterium lässt eine deutliche Differenzierung der Ergebnisse auch bezüglich umgebungsbedingter Einflussfaktoren zu, was im Vergleich zu bisher üblichen Zeitanalysen oder Ja/Nein Entscheidungen eine Verbesserung darstellt. Wichtig ist eine separate Betrachtung von Oberflächeneffekt und bei dünnen Kernwandstärken eine potenziell intensivemechanische Verklammerung dieser mit dem Gussteil, was erschwerend für die Entkernbarkeit wirkt.
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