Ausbildungsmarkt aktuell

Die neuesten Ausbildungszahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung – und Lösungsansätze

Die neuesten Ausbildungszahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigen, wie schlecht es um die Zukunft der dualen Ausbildung steht. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr fast gleichgeblieben. Das klingt zuerst einmal gut – ist es aber nicht. Denn das Vor-Corona-Niveau bleibt damit in weiter Ferne.

Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stagniert 2022 bei insgesamt 475.100 Neuabschlüssen, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) bekanntgab. Damit liegt die Zahl der Neuabschlüsse weiterhin um fast 10 Prozent bzw. fast 50.000 Neuabschlüsse unter dem Niveau von 2019.

Gleichzeitig bleiben 60.400 Ausbildungsplatzsuchende unversorgt.

Hintergrund
Im Jahr 2020 ist die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge um 11,0% gefallen. Von diesem Einbruch hat sich der deutsche Ausbildungsmarkt seitdem nicht mehr erholt.

Einem Anstieg des Ausbildungsplatzangebots im Jahr 2021 von 8.800 Angeboten bzw. 1,7% steht einer sinkenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen gegenüber (4.800 Nachfrager bzw. 0,9%). Die steigenden Probleme bei der Besetzung der offenen Ausbildungsplätze werden mit der mangelnden Nachfrage seitens der Jugendlichen und der demografischen Entwicklung begründet. Es gelte jedoch zu betonen, so die Autoren der Studie, dass auch das Ausbildungsplatzangebot im Jahr 2021 deutlich unter dem Niveau von vor Ausbruch der Corona-Pandemie geblieben ist.

Passungsprobleme
Der Begriff “Passungsproblem” bedeutet, dass es auf der einen Seite relativ viele unbesetzte Ausbildungsplatzangebote gibt, denen auf der anderen Seite relativ viele unversorgte Ausbildungsplatznachfrager gegenüberstehen. Diese Kombination aus Besetzungs- und Versorgungsproblemen gilt seit einigen Jahren als eine zentrale Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt. Passungsprobleme hätten sich zu Beginn der Corona-Pandemie noch einmal verschärft, so die Autoren der Studie. 

Obwohl 38.210 Ausbildungsstellen, für die lediglich ein Hauptschulabschluss vorausgesetzt wird, unbesetzt sind, bleiben 18.169 Personen mit Hauptschulabschluss erfolglos bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Zudem zeigt die Ungelerntenquote der 20- bis 34-Jährigen, das der Anteil derer ohne Berufsabschluss seit 2015 stetig gestiegen ist. Im Jahr 2020 lag sie bei 15,5%.

Mobilitätsproblem
Zentraler Hebel, um Passungsprobleme zu verringern, sei regionale Mobilität. Obwohl dem Grenzen gesetzt sind: Wegen zu großer Distanzen oder ungünstiger Verkehrsanbindungen ist vielen Jugendlichen Mobilität nur begrenzt möglich. Sie können somit die Regionen, in denen es mehr unbesetzte Ausbildungsplätze gibt, nicht erreichen. Und mobile Jugendliche, wiederum, wünschen sich oft auch einen Ausbildungsplatz in einem Beruf, in dem es ohnehin keinen Mangel an Bewerbern gibt, beispielsweise Medienberufe und kaufmännischer Bereich.

Handlungsempfehlungen
Die BIBB-Autoren kommen zum Schluss: Es müsse zwar diskutiert werden, wie junge Menschen für eine duale Ausbildung (anstelle eines Studiums) gewonnen werden können. Genauso wichtig sei es jedoch zu fragen, wie Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage effizienter zusammengebracht werden können und wie ausbildungsinteressierte Jugendliche – unter Berücksichtigung ihrer Berufswünsche – erfolgreich bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz sein können. 

“Nicht nur die Diskussion um die Steigerung der Attraktivität der Berufsausbildung ist legitim. Zu fragen ist auch, wie Jugendliche, die bislang noch nicht erfolgreich bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz gewesen sind, mit einem Platz versorgt werden können. Auch dies sollte im Zentrum der Debatte stehen.”

IGMetall fordert Chancengerechtigkeit 
Ein Minus von fast 10 Prozent bzw. fast 50.000 Ausbildungsplätzen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Wohin sind diese Ausbildungsplätze verschwunden? kommentiert die IGMetall die Ergebnisse der BIBB-Studie und verweist auf Erkenntnisse aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) zu Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Die große Lücke der Unversorgten sei nicht nur für Unternehmen, sondern auch für junge Menschen eine Katastrophe, die aufgrund ihres Schulabschlusses auf eine gute Ausbildung angewiesen sind – zum Beispiel Hauptschülerinnen und Hauptschüler. 

“Für Menschen, die eine Hauptschule besucht haben, ist die duale Ausbildung nahezu die einzige Möglichkeit, einen Berufsabschluss und damit die Basis für eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu erlangen.” heißt es in der HBS-Studie. Hauptschüler sowie Menschen mit Migrationsgeschichte würden strukturell bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen benachteiligt, vor allem in Betrieben, die nach eigenen Angaben starken Wert darauf legen, dass Neue zum bestehenden Team passen. Tatsächlich seien die Fähigkeiten der Betroffenen häufig besser als vermutet, zum Beispiel bezogen auf Sprachkenntnisse.

Betriebsräte sollten mitbestimmen
“Die Zahlen zeigen, dass es wichtig ist, um jeden Ausbildungsplatz zu kämpfen.” kommt die IG Metall zum Schluss und empfiehlt den Betriebsräten, ihre Mitbestimmungsrechte zu nutzen. 

„Wir brauchen echte Chancengerechtigkeit unabhängig vom Schulabschluss“, sagt Christiane Benner, zweite Vorsitzende der IG Metall. „Die Unternehmen müssen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und junge Menschen ausbilden. Das ist die wirksamste Maßnahme gegen den vielfach beklagten Fachkräftemangel.“

Zum Beispiel habe der Betriebsrat das Recht, mit dem Arbeitgeber über den Bedarf an Ausbildungsplätzen zu verhandeln. Betriebsräte könnten auch direkten Einfluss auf das Auswahlverfahren von neuen Auszubildenden nehmen, damit eine strukturelle Benachteiligung, etwa von Hauptschülerinnen und -schülern oder von Menschen mit Migrationsgeschichte, gar nicht erst vorkommt.

Mehr Informationen:

Zur Studie des BIBB:
bibb.de/dokumente/pdf/ab11_beitrag_ausbildungsmarkt-2022.pdf

Zur Studie für die Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung:
boeckler.de/fpdf/HBS-008467/p_fofoe_WP_258_2022.pdf

https://igmetall.de/jugend/auszubildende