Automobilkongress Zwickau: Emotionen am Siedepunkt

Bei der Automobilbranche ist mächtig Druck auf dem Kessel: Das merkt man auch beim Internationalen Automobilkongress in Zwickau. Bei den Themen Elektromobilität, grüne Energie, CO2 und Lieferketten da ging es hoch her.

„Klimawandel ist ein globaler Wandel. Er wird nicht allein mit Elektromobilität gelöst“, sagt Jens Hertwig, Präsident der IHK Chemnitz, Regionalkammer Zwickau eingangs der Veranstaltung und damit hat er eins der zentralen Themen des Forums auf den Punkt gebracht. Die Automobilindustrie ist eingebettet in ein globales Netz aus Lieferketten, Geschäftsbeziehungen und politischen Regelungen. Und so referierten und diskutierten Experten der Automobilindustrie auf dem 25. Internationalen Automobilkongress in Zwickau über CO2, Wasserstoff, Lieferketten oder Automation.

Dennoch bricht es einer auf die ganz lokale Ebene herunter: Max Jankowsky, Chef der Gießerei Lößnitz holt die Diskussion zur „Revolution in der Autowelt“ mit emotionalen Redebeiträgen auf den Boden der Tatsachen. „Ich brauche keine Automation, sondern ein Kabel, das die erneuerbare Energie zu mir nach Lößnitz bringt.“ Auch grünen Wasserstoff, – sollte er denn in ausreichender Menge da sein – könne man nur schwer in das Tal im Erzgebirge transportieren, in dem seine Gießerei liegt.

Ampelkoalition: “Da kommt ein großer Sturm auf uns zu”
Auch Kurt-Christian Scheel, Geschäftsführer Politik und Gesellschaft beim Verband der Automobilindustrie (VDA), macht auf die „unerfreuliche Lage“ aufmerksam. Die wirtschaftliche Lage und der Halbleitermangel setzten der Automobilindustrie enorm zu. Die Elektromobilität dränge auf den Markt und könne bereits beindruckende Zahlen vorweisen. Die globale Situation der Lieferketten sei schwierig und gleichzeitig steigen die Preise für Stahl, Holz und Energie. Von der neuen Bundesregierung sei auch wenig Erfreuliches zu erwarten, so Scheel: „Da kommt ein großer Sturm auf uns zu“, sagt er und fügt hinzu: „Die Ampelkoalition wird nicht leicht für uns.“ Politische Themen, mit denen Branche in Berührung kommen wird, seien: Erhöhung des Mindestlohns, Förderung des öffentlichen Verkehrs und der Ladeinfrastruktur, Klimaschutz, das Tempolimit, die Zukunft des Solis sowie die Einkommens- und Vermögenssteuer. Angesichts dessen ruft Scheel zu Kampfgeist auf: „Wir müssen unseren Produktionsstandort schützen“, sagt er.

Dr. Stefan Loth, Sprecher der Geschäftsführung Volkswagen Sachsen, berichtete hingegen von einer Erfolgsgeschichte: Von der Entwicklung des VW-Werks in Zwickau zum „Epizentrum der Elektromobilität“. Mehr als eine Milliarde Euro habe VW in das Werk in Zwickau investiert. Dazu gehöre ein signifikanter Ausbau der Automatisierung, beispielsweise im Presswerk, Karosseriebau und der Lackiererei. Auch die Reduzierung des CO2-Ausstoßes sei ein zentrales Thema gewesen: Die Energie zieht das Werk aus einem Blockheizwerk und aus einem Wasserkraftwerk, das 100 Prozent erneuerbare Energie liefere. Darüber hinaus gibt es in Zwickau ein Qualifizierungsprogramm, das die Mitarbeitenden für die Elektromobilität fit machen soll. Von insgesamt 8.500 Beschäftigten am Standort, durchlaufen 3.000 ein Trainingscenter für E-Mobilität und 1.500 Mitarbeitende qualifizieren sich für einen Hochvoltführerschein. Bis Ende 2020 sind 20.500 Trainingstage in Zwickau durchgeführt worden, berichtet Loth.

Brandbrief an die EU
Professor Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie hingegen, hält nicht viel von dem Hype um die Elektromobilität: Eine EU-Referenzanalyse käme zu dem Ergebnis, dass ein Elektroauto im Jahr 2030 90g CO2 pro km ausstoße. Das stimme aber nicht, so Koch. Mit ihm seien mehrere Wissenschaftler dieser Auffassung, weshalb sie dazu einen Brandbrief an die EU geschickt hätten. Der Leiter des Instituts für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft an der TU Dortmund, Christian Rehtanz hatte hingegen gegenüber dem ZDF den Brief als „Lobbyistenschreiben“ bezeichnet. Professor Koch gibt sich jedoch weiterhin kämpferisch: „Ich kenne Leute, die sagen: Das kennen wir aus der DDR. Jeder weiß, dass es nicht funktioniert, aber keiner sagt, dass es so ist. Ich tue das.“ CO2 sei nicht mehr so wichtig, sagt er und schließt an: „Wir zerstören etwas, das wir gut können.“

Klar ist, der Wandel bringt viele an den Rand der Existenz. Gießerei-Chef Jankowsky sagt mit Blick auf die steigenden Energiepreise: „Es kommt ein Punkt, an dem ich mir das nicht mehr leisten kann.“ Alle würden die Hand aufhalten und auch die Banken würden sagen: Warum sollen wir investieren, wenn wir nicht wissen, wohin die Branche geht? „Ich fühle mich wie ein Pilot, dem man sagt: Hör auf zu fliegen“, sagt der Geschäftsführer aus dem Erzgebirge.