Die Hälfte der Wirtschaft von Fachkräftemangel betroffen

Eine Phase mit dauerhaft schrumpfendem BIP kann bereits in 4 Jahren eintreten

Autor Martin Müller von der KfW zeichnet im Fachkräftebarometer ein scharfes Bild.

“Die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen stagnierte in den letzten 5 Jahren fast. Hält dies an und nimmt die Erwerbstätigenzahl demografisch bedingt ab, könnte in 3 bis 4 Jahren eine Phase dauerhaft schrumpfenden Bruttoinlandsprodukts eintreten.” kommt Müller zum Schluss. “Dies wäre von der Wirkung her etwa so, als befände sich Deutschland in einer andauernden Rezession. Nur würden Arbeitskräfte zunehmend knapper.”

Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen meldeten eine Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit durch fehlende Fachkräfte. Im verarbeitenden Gewerbe waren es 42,1% der Unternehmen. Offene Stellen seien mittlerweile im Durchschnitt 5 Monate vakant, mit steil steigender Tendenz.

Notwendiger Maßnahmenmix
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und um den Wohlstand in Deutschland zu sichern, bräuchte das Land mehr Erwerbsbeteiligung und längere Arbeitszeiten, eine stärker steigende Arbeitsproduktivität – und Zuwanderung. Würde keine Zuwanderung erfolgen, ergibt sich für das Jahr 2040 folgendes Bild: Die Zahl der Einwohner im erwerbsfähigen Alter sinkt um mehr als 9 Millionen, die der Einwohner im Rentenalter steigt um knapp 5 Millionen.

Fehlende Qualifizierung
Hinsichtlich der steigenden Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeiten sieht der Autor Potenzial vor allem bei Frauen, älteren Beschäftigten, geringfügig Beschäftigten und Arbeitslosen. Dabei tut sich allerdings ein Qualifizierungsproblem auf, denn über die Hälfte der Arbeitslosen sind lediglich als Hilfskräfte qualifiziert. Gesucht werden aber vor allem Fachkräfte mit Berufsausbildung sowie Spezialisten mit betrieblicher oder akademischer Höherqualifizierung – und das bei fast 80% der gemeldeten offenen Stellen.

MINT-Mangel
Nach Berechnungen des IW fehlen aktuell rund 140.000 MINT-Experten. Die Gesamtlücke in den MINT-Berufen – inklusive Facharbeitern, Meister und Technikern – liegt sogar bei 308.000 Stellen. Besonders groß sind die Engpässe in der IT, es fehlen aber auch Elektrotechnik-, Maschinenbau- und Bauingenieure.

Laut KfW gehören zu den besonders betroffenen Wirtschaftszweigen die Rechts- und Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, weiterhin Architekten- und Ingenieurbüros sowie Verkehrs- und Telekommunikationsbetriebe. Am wenigsten betroffen sind noch die Chemische Industrie und die Papierhersteller. Dies liegt allerdings nur daran, dass die Produktion in diesen Wirtschaftszweigen aufgrund der Energiekrise stark zurückgefahren werden musste.

Integration von Flüchtlingen braucht Zeit
Deutschland verzeichnete im Jahr 2022 bedingt durch den Ukrainekrieg zwar Zuwanderungszahlen in Rekordhöhe, jedoch handelte es sich dabei überwiegend um Fluchtmigration. Ohne Sprachschulung, Weiterqualifizierung und Anerkennung vorhandener Qualifikationen kann aber nur ein geringer Teil der Flüchtlinge in Deutschland als Fachkraft arbeiten. Angaben, wieviel Zuwanderung zur Eindämmung des Fachkräftemangels in Deutschland nötig ist, sind daher interpretationsbedürftig, denn hier spielen verschiedenen Variablen eine Rolle. Unter anderem Qualifikation und Integrationsmöglichkeiten der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt, Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung oder der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und dem für Deutschland angestrebten Wirtschaftswachstum.

Mehr Informationen:

iwkoeln.de
kfw.de