Erfolg versprechende Wege zur Klimaneutralität

Innovative Verfahren bei der Produktion von Grünstahl

Grüner Stahl kann nur mit einem Technologiewechsel hin zu Wasserstoff und Direktreduktion erreicht werden. Die Umstellung auf grünen Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien ist allerdings eine Mammutaufgabe. 

Mittlerweile haben führende Stahlunternehmen jedoch empfehlenswerte Strategien für die Produktion von Grünstahl etabliert. 

 

Direktreduktion von Eisenerz mit dem Midrex-Verfahren

Das Verfahren zur Herstellung direktreduzierten Eisens (Eisenschwamm/DRI) im Schachtofen hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Eisenerz wird dabei mit einem aus Erdgas und Prozessgas gewonnenen Reduktionsgasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff zu festem Eisenschwamm reduziert und anschließend im Elektrolichtbogenofen zu Stahl geschmolzen. 

Ursprünglich in den 1960er Jahren vom US-Konzern Midland-Ross entwickelt, wurde die Midrex-Direktreduktion im Jahr 1974 vom deutschen Stahlindustriellen Willy Korf übernommen. Das von ihm in Hamburg errichtete Elektrostahlwerk ist heute ein Standort des weltgrößten Stahlerzeugers ArcelorMittal. Dieser errichtet nun eine weitere Midex-Direktreduktionsanlage am Hamburger Standort, um den fossilen Energieträger Erdgas durch regenerativ gewonnenen Wasserstoff abzulösen. Zunächst soll der Eisenschwamm mit grauem Wasserstoff aus Erdgas produziert werden. Wenn Verfügbarkeit und wirtschaftliche Kosten sichergestellt sind, erfolgt die Umstellung auf grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen.

 

Energiron-Direktreduktion

Die Salzgitter AG setzt auf die Direktreduktion mit der Energiron-Technologie. Das Verfahren ist eine Entwicklung der Anlagenbauer Tenova und Danieli und bietet Flexibilität in Bezug auf schwankende Verfügbarkeiten von Reduktionsmitteln. Laut der Salzgitter AG ist die DRI-Anlage die weltweit erste flexibel mit Wasserstoff und Erdgas betriebene Direktreduktionsanlage in einem integrierten Hüttenwerk.

Anfangs soll die Direktreduktion noch mit Erdgas erfolgen. Ab 2025 will Salzgitter den CO2-Ausstoß um 30 Prozent senken, bis spätestens 2045 sollen dann 95 Prozent der CO2-Emissionen vermieden werden. Der Stahl wird dann über Direktreduktionsanlagen mit grünem Wasserstoff und einem mit Grünstrom betriebenen Elektrostahlwerk erzeugt.

Zum Gesamtkonzept des Stahlproduzenten gehören die Nutzung von Windenergie und die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse mit Windstrom. Hierfür errichtet das Unternehmen gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger Avacon auf dem Werksgelände in Salzgitter einen Windpark aus sieben Windkraftanlagen und einem PEM-Elektrolyseur von Siemens. 

Weiterhin verfolgt die Salzgitter AG die Erzeugung von Wasserstoff mit der Hochtemperatur-Elektrolyse (HTE) des Dresdener Startups Sunfire, um industrielle Abwärme zur Wasserstofferzeugung aus Ökostrom zu nutzen. Aufgrund des Energieinputs aus industrieller Abwärme in Form von Wasserdampf erreicht die Hochtemperatur-Elektrolyse auf der Grundlage von Festoxid-Elektrolysezellen (SOEC) einen elektrischen Wirkungsgrad über 82 Prozent. 

Die Salzgitter AG hat mit der BMW Group bereits eine Vereinbarung zur Lieferung von CO2-arm produziertem Stahl abgeschlossen. Der Stahl soll ab 2026 für die europäische Serienproduktion der BMW Group eingesetzt werden. 

Eisenschwamm wird im Oxygen-Stahlwerk zu Stahl

Thyssenkrupps größter europäischer Stahlstandort in Duisburg zeichnet für 2,5 % des deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich, das entspricht dem Zehnfachen des innerdeutschen Flugverkehrs. Das Unternehmen sieht in erneuerbaren Energien und dem Ersatz von Kohle durch grünen Wasserstoff die Lösung. 

Die technische Herausforderung ist die Integration des direktreduzierten Eisens in die Folgeprozesse des Hüttenwerks. Hier geht Thyssenkrupp neue Wege. Statt für den Eisenschwamm ein neues Elektrostahlwerk zu bauen, soll er im Oxygen-Stahlwerk des Unternehmens zu Stahl verarbeitet werden. 

Dazu soll der rund 500 Grad Celsius heiße und feste Eisenschwamm in einem nachgelagerten Einschmelzer verflüssigt und – wie zuvor das Hochofen-Roheisen – im Konverter des Stahlwerks zu Stahl gekocht werden. Lediglich der Hochofen wird durch eine Direktreduktionsanlage ersetzt, die übrigen Anlagen können beibehalten werden.

Bis 2030 will Thyssenkrupp den CO2-Ausstoß um 30 Prozent senken. Allerdings muss nach der Umstellung auf Direktreduktion Strom zugekauft werden, da aus dem Hochofen an Stelle von Gichtgas Wasserdampf anfällt, der sich nicht verstromen lässt. Das Hüttenwerk Duisburg nutzt bisher die Gichtgase aus dem Hochofen zur Eigenstromerzeugung und versorgt zusätzlich 20000 Haushalte im Raum Duisburg mit Fernwärme. 

Schwedisches Hybrit-Projekt

Die schwedische SSAB gründete mit dem Eisenerzpellethersteller LKAB und dem Energieversorger Vattenfall das schwedische Joint-venture Hybrit. Bis 2026 sollen die Anlagen in Oxelösund auf Eisenschwammerzeugung mit grünem Wassersstoff und einem elektrischen Lichtbogenofen zum Einschmelzen des Eisenschwamms nach dem Hybrit-Verfahren umgestellt sein. SSAB will dann den Markt mit klimaneutralem Stahl im kommerziellen Maßstab beliefern. Erster Großabnehmer ist Mercedes-Benz, dessen neue Pkw-Flotte spätestens im Jahr 2039 entlang der gesamten Wertschöpfungskette CO2-neutral werden soll.

Hybridtechnologie mit Primetals und Siemens 

Der österreichische Stahlhersteller Voestalpine hat den Umstieg auf ein Hybridsystem mit grünstrombetriebener Elektrolichtbogenofentechnologie beschlossen. Mit dem Projekt greentec steel sollen die CO2-Emissionen des Unternehmens bis zum Jahr 2030 um rund 30 Prozent gesenkt werden, das entspräche 5 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen Österreichs. Eine CO2-neutrale Produktion wird für das Jahr 2050 angestrebt.

Die nötigen Umbauarbeiten an den beiden Standorten Linz und Donawitz beginnen im Sommer diesen Jahres. Für die Erzeugung grünen Wasserstoffs hat das Unternehmen am Standort Linz bereits die weltgrößte PEM-Wasserstoffpilotanlage von Siemens installiert. Den Grünstrom aus Wasserkraft liefert der Energieversorger Verbund. Anfang 2027 könnte an den beiden Standorten dann jeweils ein Elektrolichtbogenofen in Betrieb gehen.

Der Standort Donawitz beheimatet ebenfalls eine Forschungsanlage für die einstufige CO2-freie Herstellung von Rohstahl mithilfe einer neuartigen Wasserstoff-Plasmatechnologie. Das Erz wird ohne Roheisenstufe in einer Art Elektrolichtbogenofen gleichzeitig geschmolzen und reduziert. Hierfür wird Wasserstoffgas bei hoher Spannung ionisiert, damit geht es in eine leitfähige Plasmaphase über. Statt CO2 entsteht Wasserdampf. An dem Grundlagenforschungsprojekt des Metallurgischen Kompetenzzentrums K1-MET ist neben Voestalpine die Montanuniversität Leoben beteiligt.

Voestalpine hält zudem ein Patent auf die Herstellung von Eisenschwamm im Direktreduktionsprozess mit grünem Wasserstoff und Biogas. Hierzu wurde im April 2021 am Standort Donawitz eine von Primetals entwickelte Anlage zur wasserstoffbasierten Feinerzreduktion in Betrieb genommen. Die Pilotanlage arbeitet mit Hyfor (Hydrogen-Based Fine-Ore Reduction), dem weltweit ersten Direktreduktionsverfahren für Eisenerzkonzentrate aus der Erzaufbereitung, das keine Agglomeration wie Sintern oder Pelletieren erfordert. Der Prozess kann Eisenerzkonzentrate mit 100 Prozent Partikelgrößen unter 0,15 mm verarbeiten und ist für eine Vielzahl von Erzen wie Hämatit und Magnetit geeignet.

CO2-freie Stahl-Produktion mit Elektrolyse ohne Wasserstoff 

Im US-Unternehmen Boston Metal ist man überzeugt, dass die elektrometallurgische Elektrolyse von Eisenerz bald die Marktreife erreichen wird. Das Unternehmen setzt auf das Schmelzoxidelektrolyse-Verfahren MOE (Molten Oxide Electrolysis), einen einstufigen Prozess ohne den Zwischenschritt der Herstellung grünen Wasserstoffs. Bei dem Verfahren wird eine Schmelzkammer mit Eisenerz und einem flüssigen Elektrolyten befüllt, eine inerte metallische Anode in die Mischung getaucht und das Eisenerz unter Gleichstrom verflüssigt.

GIFA, METEC, THERMPROCESS und NEWCAST

Innovative Verfahren aus den Bereichen der metallverarbeitenden Industrien und der Stahlbranche sind vom 12. bis 16. Juni 2023 in Düsseldorf auf den Weltleitmessen GIFA, METEC, THERMPROCESS und NEWCAST zu sehen. Die ecoMetals-Kampagne der Messe Düsseldorf nimmt auf den ökologischen Weg der Industrien Bezug und fördert ausstellende Unternehmen, die in innovative, umweltschonende und nachhaltige Technologien investieren.

Weitere Informationen, Branchen- und Firmennews zu den Fachmessen unter

tbwom.com