Hyper, Mega und Giga im Druckguss

Aluminium-Karosseriefertigung aus einem Guss

Im Druckgussverfahren lassen sich dünnwandige Werkstücke mit komplizierten Formen in hoher Qualitätsgüte herstellen. Diese Werkstücke sollen nun Mega-Dimensionen bekommen.

Eine Fahrzeugkarosserie besteht aus vielen Einzelteilen, die im Druckgussverfahren gefertigt werden. Dabei wird flüssiges Metall unter hohem Druck in Metallformen gedrückt und anschließend abgekühlt. Autobauer wollen die Fahrzeugkarosserie nun durch sogenanntes Mega-Casting bzw. Giga-Casting auf so wenig große Strukturgussteile wie möglich vereinfachen. Allen voran Pionier Tesla. Der Heckrahmen von dessen Model Y wird als ein einzelnes, massives Teil im Aluminiumdruckguss gegossen. 

Ab 2025 will auch Volvo das Mega-Casting zur Produktion von Aluminium-Karosserieteilen seiner Elektroautos nutzen. Dabei soll ein beträchtlicher Anteil des Fahrzeugbodens zusammenhängend gegossen werden. Die Schweden versprechen sich davon eine Gewichtsreduzierung von mindestens 15 Prozent – und in Folge die Verbesserung von Energieeffizienz und elektrischer Reichweite der E-Fahrzeuge.

Zusätzlich seien sechs chinesische Autohersteller daran interessiert, ähnlich riesige Gießmaschinen einzusetzen, so die New York Times. 

Da die Anzahl der hergestellten Teile erheblich reduziert wird (bei Tesla von 70 Einzelbauteilen auf ein Bauteil) lassen sich Montageschritte, Materialeinsatz und Logistikkosten verringern. Davon profitiert gleichzeitig die Ökobilanz. 

Tesla kann ein Model Y bereits in 10 Stunden produzieren, während Volkswagen für sein Elektroauto ID.3 dreimal so lange dafür braucht. Der deutsche Autogigant will nun die Produktionszeiten mit seinem „Trinity“ EV-Werk, das 2026 in Betrieb gehen soll, verkürzen, indem er Techniken wie das Mega-Casting einsetzt und die Anzahl der Komponenten in seinen Autos um mehrere hundert reduziert, so die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Technologie hat aber auch Nachteile. Eine der Herausforderung beim Mega-Casting liegt in der Infrastruktur. Grund sind die Dimensionen der zur Herstellung und Bearbeitung benötigten Maschinen und Werkzeuge. Eine Presse in Teslas Gigafactory im brandenburgischen Grünheide wiegt über 400 Tonnen, misst rund 20 Meter in der Länge und jeweils 6 Meter in Höhe und Breite. Für eine Fabrik bedeutet das nicht nur einen erheblichen Platzbedarf. Vielmehr lassen sich die bis zu 100 Tonnen schweren Druckgießformen derzeit nur vertikal mit Hilfe eines Krans tauschen, weil sich sonst Probleme mit dem Trennmittel ergeben. Ein Prozess, der zehn bis zwölf Stunden in Anspruch nimmt – im Gegensatz zum Werkzeugwechsel in Großpresswerken, der drei Minuten dauert. 

Wolfram Volk, Lehrstuhlleiter für Umformtechnik und Gießereiwesen an der Technischen Universität München, gibt gegenüber dem Branchenmagazin Automobil-Produktion zu bedenken: „Eine Teilereduktion an sich bietet noch keine betriebswirtschaftlichen Vorteile. Denn die Fertigungs- und Materialkosten sowie die Kosten für die Investition gilt es gesamthaft zu betrachten, was wir zusammen mit verschiedenen Fraunhofer-Instituten wie dem IAO, IFAM und IWU auch ermittelt haben. Zudem wird eine Karosserie damit nicht per se leichter. Ein großes Bauteil bedarf schlicht entsprechender Wandstärken, gleichzeitig büßt man die Möglichkeit ein, die entsprechenden Materialeigenschaften an die exakt richtigen Stellen zu bringen, so wie es mit einer klassischen Blechschalenbauweise in vielen Fällen gelingt.“

Giga-Casting eröffne jedoch neue Wege im Karosseriebau von E-Autos. Hier gilt es, die Batteriewanne als neues und zentrales Bauteil zu integrieren. Die bei Verbrennerfahrzeugen erzielten Fortschritte im Karosseriebau lassen sich auf Elektrofahrzeuge nur eingeschränkt übertragen. 

Wolfram Volk rät, auch die prognostizierten Einsparpotenziale mit Vorsicht zu betrachten.  Die technologische Abschreibung der bei der Schalenbauweise genutzten Schweißroboter und Umformpressen laufe über einen Zeitraum von 30 Jahren. Für OEMs, die diese Maschinen bereits in bestehenden Fahrzeuggenerationen einsetzen, ergibt der Einsatz der neuen Technik also keinen Sinn. Tesla profitiere aufgrund seines Greenfield-Ansatzes.

„Giga- oder Megacasting kann man also per se weder als effiziente Lösung, noch als Leichtbaulösung oder als höher performanteres Verfahren einstufen. Wohl aber stellt es eine Alternative dar, die den doch recht eingefahrenen technologischen Baukasten im Karosseriebau um eine interessante Variante bereichert.“