Volkswirte fordern Sofortmaßnahmen
In einer aktuellen Umfrage unter 145 Professorinnen und Professoren geben diese an, dass sie mit einer Inflation von 4,4 % für das Jahr 2022 rechnen. Bis zum Jahr 2026 wird ein kontinuierliches Absinken erwartet, jedoch bleibt dieser Wert mit 3,4 % in 2023 und 2,8 % in 2026 trotzdem über dem Zielwert der EZB. Der Zielwert der EZB liegt bei knapp 2 Prozent.
Die EZB müsse nun die Risiken ihrer geldpolitischen Entscheidungen abwägen, die mit einem zu frühen oder zu späten Reagieren auf die erhöhte Inflation verbunden sind.
Ursache der erhöhten Inflation sind Energie- und Rohstoffpreise, Lieferengpässe und die Geldpolitik. Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise werden seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine weiter in die Höhe getrieben. Zudem bleiben pandemiebedingte Lieferengpässe weiterhin bestehen, was auf sogenannte Nachholeffekte beim Konsum bei gleichzeitiger Angebotsknappheit zurückzuführen ist.
„Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine ist ein weiterer Treiber der ohnehin schon hohen Inflation hinzugekommen“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke. „Die EZB sollte nun endlich die Zinsen erhöhen und damit helfen, die Inflation einzudämmen.“
Nicht zuletzt sehen die Ökonominnen und Ökonomen in der Geldpolitik der EZB eine Hauptursache für die aktuellen Verbraucherpreissteigerungen in Deutschland. Sie warnen, dass sich die gegenwärtig hohe Inflation nicht auf einem dauerhaft hohen Niveau festsetzen dürfe und fordern die EZB auf, Maßnahmen zu ergreifen. So sprechen sich 75 % der Befragten für Sofortmaßnahmen zur Senkung der Inflation aus. Bei der aktuellen Inflationsrate bestünde zudem die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale.
Weitere 19 % der befragten Ökonominnen und Ökonomen fordern zwar keine umgehende Reaktion, da sie nach Abklingen der Coronapandemie von einer automatisch sinkenden Inflationsrate ausgehen, halten aber Maßnahmen in durchschnittlich neun Monaten für erforderlich.
Als bevorzugte Maßnahme, um das Ziel der mittelfristigen Preisstabilität zu erreichen, empfiehlt die Mehrheit der teilnehmenden Ökonominnen und Ökonomen eine Erhöhung der Leitzinsen. Sie begründen dies mit der großen Signalwirkung der Maßnahme und den derzeit zu niedrigen Zinsen.
Weitere Maßnahmen seien der Stopp der quantitativen Lockerungen (QE) und der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs). Quantitative Lockerungen (quantitative easing, QE) beinhalten, dass die Zentralbank zum einen langfristige private oder öffentliche Wertpapiere von den Geschäftsbanken aufkauft, um die Liquidität im Bankensystem zu erhöhen, und zum anderen die langfristigen Zinsen am Anleihemarkt senkt. Über TLTROs (deutsch GLRGs) bietet die EZB Banken längerfristige kostengünstige Kredite an. Somit haben diese einen Anreiz für die Kreditvergabe an Unternehmen. Dadurch werden Ausgaben sowie Investitionen gefördert.