Statement zur Lage der Druckgussbranche in 2022
Unter Moderation von Christopher Boss, Veranstaltungsleiter der Euroguss, und Martin Vogt, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit der BDGuss, wurde in der Speakers Corner die aktuelle Lage der Druckgussbranche diskutiert.
Zu Beginn schilderte Hartmut Fischer die Entwicklung der Druckgussindustrie anhand des Kennwerts der Tonnage. Nach einem erfolgreichen Jahr 2018 mit knapp 700.000 Tonnen Druckgusstonnage bekam die Branche, die traditionell von der Automobilbranche abhängig ist, die Folgen des Dieselskandals zu spüren. Die Produktion sank auf 550.000 Tonnen. Nach einer Aufbruchsstimmung Anfang 2020 führten Coronakrise, Chipmangel, Kurzarbeit und stockende Lieferketten zu einem Einbruch der Druckgusstonnage auf 420.000 Tonnen. Aktuell sei die Situation in der Branche durch den Wechsel von Sonderschichten und Kurzarbeit geprägt. Die Endkundennachfrage ist da, die gestörte Lieferkette belastet jedoch nach wie vor die Unternehmen.
Timo Würz berichtete, dass die internationalen Lieferungen von Druckgusstechnologie im Jahr 2020 zwar um 25 % gegenüber dem Vorjahr zurückgingen, sich aber 2021 auf diesem Niveau zumindest stabilisieren konnten.
Die politischen Rahmenbedingungen für die Branche wurden von Staatssekretär Roland Weigert ausführlich skizziert. Kernproblem sei eine toxische Mischung aus einem Strauß von Risiken, die vor der Pandemie so noch nicht da waren. Zu den Beeinträchtigungen aus Corona addieren sich nun Rohstoffrisiken, Sicherheitsrisiken, Energierisiken und Energiekostenrisiken. Er kritisierte, dass die Mehrkosten der Energieumstellung, die in einem engen Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie stehen, in der Gesellschaft nicht diskutiert werden.
Fischer ergänzte, dass die Gießereibranche einen wettbewerbsfähigen Strompreis auch schon innerhalb Europas braucht. Es könne nicht hingenommen werden, dass Produktion in andere Regionen abwandere, weil dort günstigere Strompreise geboten werden.
Würz sprach die wachsende Bedeutung geopolitischer Einflüsse an. Das Decoupling von USA und China führt zu einem Spannungsfeld, in dem sich die europäischen Unternehmen neu positionieren müssen. Das Modell der Globalisierung, von dem europäische Unternehmen bisher sehr profitiert hatten, sei in Frage gestellt.
Staatssekretär Weigert pflichtete bei, dass das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft – der liberale Welthandel – durch den sowohl in Amerika als auch Asien zunehmenden Protektionismus unter Druck steht. Es sei ein Grundrauschen, auf das sich die Wirtschaft einstellen müsse. Um im geänderten globalen Umfeld zu bestehen, müssen Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten.
In Bezug auf die notwendige Dekarbonisierung kritisierte er den planwirtschaftlichen Ansatz der Taxonomie, die zwischen grünen und braunen Technologien unterscheidet, und favorisierte das Instrument des Emissionshandels (EU-ETS). Für den Erfolg sehe er nur den Weg der Innovationsdynamik und -geschwindigkeit. Seiner Auffassung nach führt die Taxonomie zu einer Komplexitätsmehrung und Innovationsdynamikminderung. Eine Entschleunigung der Dynamik bedeute jedoch ein Nachteil im europäischen Wettbewerb. Zudem müsse diskutiert werden, ob aufgrund der veränderten weltpolitischen Lage zeitweise nicht wieder auf Atomstrom zurückgegriffen werden sollte.
Timo Würz prognostizierte abschließend, dass in den Unternehmen zukünftig die Entscheidung zwischen Effizienz und Resilienz getroffen werden müsste: „Angesichts der Verwerfungen infolge des Krieges werden wir Wertschöpfung neu denken müssen. Wir werden uns die Frage stellen müssen: Geben wir einen Teil unserer Effizienz- und Produktionsvorteile zugunsten einer höheren Resilienz der Lieferketten und damit einer gesicherten Produktion am Standort auf oder versuchen wir, das alte Modell weiterzufahren?“