Kobaltblau, Kobaltabbau und die Sage von Christoph Schürer
Lange Zeit war unbekannt, welche Schätze sich unter den endlosen Wäldern verbargen. Dann aber verbreitete sich um 1170 die Nachricht von großen Silberfunden in Freiberg. Das löste das erste “Berggeschrei” aus und bald besiedelten Bergleute, Händler und Köhler das unwirtliche Gebiet. Der bis dahin als „Miriquidi“ benannte „Dunkel- bzw. Finsterwald“ bekam seinen heutigen Namen „Erzgebirge“. Im 16. Jahrhundert wurde das Erzgebirge zum Zentrum des Bergbaus in Mitteleuropa mit den Städten Freiberg und Annaberg-Buchholz als den wichtigsten Silber-Abbaustätten. Die älteste Gießerei Deutschlands, das Eisenwerk Erla, arbeitet seit 600 Jahren im Erzgebirge.
Die Bedeutung von Kobalt
Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil vieler Legierungen und wird in der Stahl-, chemischen und elektronischen Industrie verwendet. Vor allem ist es heute als Werkstoff für Lithium-Ionen-Batterien bekannt. In der Gießerei-Industrie dient Kobalt als Legierungszusatz zur Verstärkung der Härte und Korrosionsbeständigkeit von Gusslegierungen. Kobalt wird häufig in Superlegierungen für anspruchsvolle Anwendungen wie den Einsatz in der Luft- und Raumfahrt, in der chemischen und petrochemischen Industrie sowie in der Medizintechnik verwendet.
Gießereien benötigen hochwertige und reinste Kobaltlegierungen, um den hohen Anforderungen dieser Anwendungen gerecht zu werden.
Im Erzgebirge wurde schon lange vor der Erfindung der Lithiumionenbatterie Kobalt abgebaut.
Der Name “Kobalt” kommt von dem Wort “Kobold”, einem Geist aus der deutschen Mythologie. Die erzgebirgischen Bergkobolde waren geisterhafte Wesen, die in den Bergen und Minen lebten und für viele unerklärliche Phänomene verantwortlich gemacht wurden, wie beispielsweise das Auftauchen plötzlicher Stürze oder das Verschwinden von Minenarbeitern. Die frühesten bekannten kobalthaltigen Minerale wurden oft von Minenarbeitern vermieden, weil sie dachten, dass sie durch den Einfluss böser Geister verunreinigt waren.
Kobalt- und Blaufarbenwesen im Erzgebirge
Die Region spielte einst eine bedeutende Rolle bei der Gewinnung von Kobalt. Es wurde vor allem in Schneeberg gefördert und in den Blaufarbenwerken zu Kobaltblau verarbeitet. Kobaltblau wird weiterhin als Farbstoff für Porzellan, Keramik und Glas verwendet, insbesondere für Sammlerstücke und traditionelle Kunstgegenstände.
“Im 18. und frühen 19. Jahrhundert galt der Schneeberger Kobaltbergbau als der bedeutendste der Welt. Die erzgebirgischen Farbmühlen erbrachten zeitweise fast die Hälfte der gesamten sächsischen Montanleistung und beherrschten den Weltmarkt der Kobaltglaserzeugnisse.” erklärt der Freiberger Chemiker und Heimatforscher Dr. Mike Haustein.
Mike Haustein: Das sächsische Kobalt- und Blaufarbenwesen. Geschichte, Technologien und Denkmale.
Mitteldeutsche Verlag (2020). ISBN 978-3-96311-438-0
Reich bebildertes Buch mit 320 Seiten.
Zu Beginn der europäischen Porzellanmanufaktur war das Spektrum der Farben, die die hohen Brenntemperaturen bei der Herstellung überstanden, noch klein. Kobaltblau erwies sich aber stabil und widerstandsfähig gegenüber den enormen Temperaturen. Darüber hinaus verlieh das Kobaltblau den Mustern eine besondere Schönheit. Ein bekanntes Muster auf Porzellan und Keramik, das häufig mit Kobaltblau gefertigt wird, ist das Meissner Zwiebelmuster – das erfolgreichste Blaudekor der Porzellangeschichte. Bei dem heute weltbekannten Dekor war es ursprünglich die Absicht gewesen, Granatäpfel und deren Blüten zu malen. Doch weil kaum einer die Früchte je gesehen hatte, kommentierten die Leute: “sieht aus wie Zwiebeln”.
Die Entdeckung des blauen Kobaltglases “Smalte” in Europa wurde allgemein dem Glasmacher Christoph Schürer zugeschrieben. Smalte ist eine feste Lösung von Cobalt(II)-oxid in Kaliumsilicatglas und gilt als das älteste bekannte Kobaltpigment. Die Smalte wurde vor allem seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert in Blaufarbenwerken aus kobalthaltigem Erz gewonnen und als Pigment verwendet. Das Blaufarbenwerk Schneeberg (1568 bis um 1580) war das erste Blaufarbenwerk in Sachsen.
Das Schindler’sche Blaufarbenwerk
Die Schindlerswerk GmbH & Co. KG in Zschorlau ist die wahrscheinlich weltweit älteste noch produzierende Farbenfabrik. Sie wurde im Jahr 1649 im Tal der Zwicker Mulde unweit von Albernau durch Erasmus Schindler gegründet.
Im Erzgebirge wurde in insgesamt fünf Werken Kobalterze verarbeitet. Das Schindler’sche Blaufarbenwerk ist das jüngste der ehemals fünf Blaufarbenwerke und heute eines der wichtigsten Teile des UNESCO-Weltkulturerbes Montanregion Erzgebirge. Während die anderen erzgebirgischen Blaufarbenwerke entweder vollständig oder teilweise abgerissen, zumindest baulich stark verändert wurden, konnte sich das Schindlerswerk seinen Charakter als in sich geschlossene erzgebirgische Montanindustriesiedlung bewahren.
1855 wurde das Werk in eine Ultramarinfabrik umgewandelt. Allerdings wurden die Rauchgase des Werkes dadurch stark mit schwefliger Säure belastet, was innerhalb kurzer Zeit zu einem großflächigen Waldsterben führte. Durch die Installation der ersten industriellen Rauchgaswäsche durch den Freiberger Chemiker Clemens Winkler konnte die Schließung des Werks verhindert werden. Damit stammt die Einführung der industriellen Rauchgasentschwefelung aus dem Blaufarbenwesen.
In den historischen Gebäuden werden bis in die Gegenwart Ultramarin und andere Farben produziert.
Wiederbelebung des Bergbaus?
Nachdem der Bergbau im Erzgebirge vor rund 30 Jahren aufgegeben wurde, arbeiten derzeit verschiedene Unternehmen an einer möglichen Wiederinbetriebnahme. So will die Firma SME (Sachsen Mineralien und Exploration) Wolfram, Zinn und Flussspat in Pöhla/Globenstein aus der Erde holen.
Der Zinnwalder Zinnerzbergbau ist seit 2019 ein Bestandteil des UNESCO-Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří. Heutige Probebohrungen lassen vermuten, dass hier möglicherweise eines der größten Lithiumvorkommen Europas liegt. Übrigens ist Zinnwald nicht nur für den Reichtum an Zinnerz bekannt, sondern gilt als die kälteste bewohnte Ortschaft Deutschlands.
Krupka (Graupen) und Ehrenfriedersdorf gelangten im 13. und 14. Jahrhundert durch reiche Zinnfunde zur Blüte. Neue geologische Untersuchungen haben Ergebnisse von DDR-Geologen bestätigt, dass im Vogtland noch rund 160.000 Tonnen Zinn zu finden sein dürften. Nach Ansicht der Deutschen Rohstoff AG wäre es das größte derzeit bekannte unentwickelte Zinnvorkommen weltweit. Allerdings sind die Erzgehalte im Gestein insgesamt recht niedrig.
Der Schneeberger Bergbauverein betreut eines der bedeutendsten historischen Bergwerke Europas für BiCoNi-Erze des Mittelalters. Hier findet man auch eine historische Aufbereitungsanlage, die in ihren wichtigsten Elementen noch in Funktion gezeigt werden kann.
https://sites.google.com/view/kobaltbergbau
Die Sage von Christoph Schürer
Schneeberg, Erzgebirge
Im sechzehnten Jahrhundert begann der Ertrag der Bergwerke im oberen Erzgebirge von Jahr zu Jahr nachzulassen. Da erhob sich überall ein großes Klagen über den Silberräuber, wie man den Kobalt nannte, der das wertvolle Silbererz in taubes Gestein verwandelte. Zu dieser Zeit kam nach Schneeberg ein Fremder namens Christoph Schürer. Er war der Sohn eines Apothekers in Westfalen, von wo er wegen seines evangelischen Glaubens hatte fliehen müssen. In Schneeberg fand er eine neue Heimat, und da er ein in der Chemie wohlerfahrener junger Mann war, auch bald eine Anstellung bei den Hütten. Kurze Zeit darauf gewann er die Liebe eines braven jungen Mädchens, der Tochter des Hüttenmeisters Rau; bald erhielt er auch das Einverständnis des Vaters, sodass die Hochzeit auf das nächste Bergfest bestimmt wurde.
Ehe aber das Bergfest kam, wären die Hoffnungen Schürers beinahe vernichtet worden. Bei seinen chemischen Forschungen war er nämlich auf den Gedanken gekommen, das vielverrufene Kobalt zu etwas Nützlichem umzuwandeln. Er stellte deshalb im Geheimen in einer Schmelzhütte in Oberschlema vielfache Versuche an und trieb es damit oft die ganze Nacht hindurch so eifrig, dass er bald in den Verdacht geriet, ein Alchimist und Schwarzkünstler zu sein. Als daher aus Böhmen, wo er sich bei seinem früheren Aufenthalt wegen seines evangelischen Glaubens Feinde und durch seine Tüchtigkeit Neider gemacht hatte, mehrfache Klagen einliefen, dass er ein Zauberer und Dieb gewesen sei, und als man seine Auslieferung forderte, gebot der Schneeberger Bergmeister, ihn zu verhaften.
Eben war Schürer in der Schmelzhütte mit seinen Versuchen beschäftigt, da kam der Büttel, um ihn festzunehmen. Er fand aber die äußere Tür verschlossen und meldete dies dem Bergmeister. Diesen sowie den Hüttenmeister Rauh und einige Geschworene trieb jetzt die Neugier, mitzugehen.
Sie sprengten die Tür auf und sahen, wie ihnen der vermeintliche Verbrecher mit leuchtenden Augen freudig entgegenkam. Aber wie erstaunt war der Forscher, als der Büttel ihn am Arm ergriff und ihm die Handschellen anlegen wollte! Wie erschrak er, als er hören musste, dass ihn die Bergherren mit Vorwürfen überhäuften und ihn einen Zauberer und Dieb schalten! Jedoch fasste sich schnell und rief den Eintretenden mit fester Stimme entgegen: “Männer prüfen, ehe sie entscheiden! Meint ihr, ich treibe bösen Unfug hier mit Schwarzer Kunst, so tretet her. Seht, dies wollte ich gewinnen, und glücklicherweise ist es endlich gelungen. Ich meine, es soll dem Land von großem Nutzen sein!” Mit diesen Worten reichte er ihnen eine Mulde voll feinen, schönblauen Staubmehls hin. Die Bergherren staunten und begehrten zu wissen, wie und woraus er solch schöne blaue Farbe bereitet habe. Schürer zeigte ihnen alles willig und reinigte sich so von dem Verdacht, dass er ein Schwarzkünstler sei.
Dies machte den Bergmeister so große Freude, dass er versprach, alles zu tun, um Schürers Unschuld gegenüber den wider ihn erhobenen Anklagen zu erweisen. Dies gelang auch dem wackeren Manne bald, und Christoph Schürer erhielt nun seine Freiheit wieder. Durch die Erfindung der blauen Farbe, die man anfangs nur “blaues Wunder”, später aber Kobaltblau nannte, gelangte er zu großen Ehren, und als das Bergfest gekommen war, konnte er auch seine junge Braut heimführen.
(Die Silberne Rose – Europäische Bergmannssagen von Blechschmidt, Leipzig 1984)