Neue Werkstoffe und Verfahren im 3D-Druck

Potenziale für Leichtbau und Medizintechnik

Der Lehrstuhl für Kunststofftechnik (LKT) der FAU Erlangen-Nürnberg forscht seit 15 Jahren an Fertigungsverfahren, um neue Prozessstrategien zu entwickeln. In einem Artikel des Jahresmagazins Kunststofftechnik legen die Forscher dar, mit welchen Möglichkeiten sie geometrisch hochkomplexe und individualisierte Produkte kosteneffizient und ressourcenschonend herstellen und so für Leichtbau und Medizintechnik neue Potenziale eröffnen.

Dual-cure-Systeme
Die Stereolithographie (SLA) ist ein attraktives Herstellungsverfahren, das filigrane Bauteile mit einer sehr hohen Oberflächengüte ermöglicht. Die Fertigungsgeschwindigkeit dieses Verfahrens kann signifikant erhöht werden, wenn statt der üblichen UV-Bestrahlung eine flächige Belichtung mittels DLP(Digital Light Processing)-Projektoren oder LED-Displays erfolgt. Die meisten photoreaktiven Harze neigen jedoch zu schnellem thermischen und UV-bedingtem Abbau und besitzen daher nur niedrige mechanische Eigenschaften.

Eine Lösung ist der Einsatz von Dual-cure-Systemen. Hierbei werden zwei Komponenten (Acrylat und Epoxidharz) durch UV-Vernetzung und anschließende thermische Vernetzung mittels SLA molekular verbunden. Im ersten Arbeitsschritt bindet das vernetzte Acrylat das noch flüssige Epoxidharzsystem, im zweiten Schritt erfolgt die thermische Vernetzung des Epoxidharzsystems.

Das am LKT entwickelte Dual-cure-Systems aus Epoxidharz und Acrylat weist eine deutliche Steigerung der mechanischen Eigenschaften sowohl für den E-Modul als auch die Zugfestigkeit auf. 

Niedertemperatur-Lasersintern
Der pulverbasierte additive Fertigungsprozess beim Lasersintern von Kunststoffen (SLS) beruht darauf, den Werkstoff kontinuierlich zu temperieren, sodass Pulver und Schmelze koexistieren können. Diese quasi-isotherme Prozessführung erfordert eine Vorheiz- und Abkühlphase, die die Nachhaltigkeit des Prozesses negativ beeinflusst.

Am LKT werden im Rahmen eines Förderprojekts der Deutschen Forschungsgesellschaft innovative Prozessstrategien erforscht, um die Temperatur im Bauraum weit unterhalb des Kristallisationstemperaturbereichs abzusenken und die Nachhaltigkeit des Prozesses dadurch zu erhöhen.

Bei der Verarbeitung von Polyamid 12 konnte die Bauraumtemperatur von 170 °C auf unter 75 °C gesenkt werden. Erreicht wurde dies durch eine Kombination der quasi-simultanen Belichtung mit der sogenannten fraktalen Belichtung, die die Homogenisierung der Temperaturfelder ermöglicht. 

Die mittels Niedertemperatur-SLS gefertigten Bauteile sind neben einer lamellaren, fein sphärolithischen Morphologie durch eine lokal reduzierte Porosität charakterisiert. Aufgrund der niedrigeren Prozesstemperatur ist es mit dem Verfahren möglich, eine größere Bandbreite an Werkstoffsystemen zu nutzen, Pulveralterung zu vermeiden und dadurch einen nachhaltigeren Prozess zu erreichen.

Fügen von 3D-Bauteilen
Additiv hergestellte hochkomplexe Bauteile können an konventionell gefertigte Bauteile durch Schweißprozesse angebunden werden. Schweißverbindungen zwischen SLS-Bauteilen sowie zwischen SLS- und Spritzguss(SG)-Bauteilen erreichen Festigkeiten im Bereich der Grundmaterialien, wobei der Nahtaufbau von SLS-Schweißverbindungen deutlich von dem konventioneller Schweißverbindungen abweicht.

Das LKT untersucht im Rahmen eines durch die Bayerische Forschungsstiftung (BFS) öffentlich geförderten Forschungsvorhabens die werkstofflichen und fertigungsbedingten Besonderheiten beim Schweißen von SLS-Bauteilen mit Fokus auf dem Vibrationsschweißen und dem Infrarotschweißen.

Mehr Informationen:

lkt.tf.fau.de

Drummer et al.: Neue Werkstoffe und Prozesse für die Additive Fertigung. In: WAK – Wissenschaftlicher Arbeitskreis Kunststofftechnik, Jahresmagazin Kunststofftechnik, Herausgegeben vom Institut für Wissenschaftliche Veröffentlichungen, 2022.
https://institut-wv.de/wp-content/uploads/sites/9/2022/10/096-681_WAK-Kunststoff_2022.pdf