Neutronen, die Eigenspannungen in 3D-Druck-Bauteilen erkennen

Turbinenschaufeln aus dem 3D-Drucker enthalten oft Spannungen. Einem Forschungsteam der Technischen Universität München ist es jetzt gelungen, mit Neutronen diese inneren Spannungen zerstörungsfrei zu bestimmen.

Gasturbinenschaufeln müssen extremen Bedingungen standhalten: Unter hohem Druck und hohen Temperaturen sind sie enormen Fliehkräften ausgesetzt. Um die Energieausbeute weiter zu erhöhen, sollen sie Temperaturen aushalten, die eigentlich bereits über dem Schmelzpunkt des Materials liegen. Dies gelingt mit hohlen Turbinenschaufeln, die von innen mit Luft gekühlt werden können.

Herstellen lassen sich solche Schaufeln durch additive Fertigung im Laser-Pulverbett-Schmelzverfahren: Pulverförmiges Ausgangsmaterial wird dabei durch selektives Aufschmelzen mit einem Laser Schicht für Schicht aufgebaut. Nach dem Vorbild von Vogelknochen geben filigrane Gitterstrukturen im Inneren der hohlen Turbinenschaufeln die nötige Stabilität.

Mit Gießen oder Fräsen nicht möglich
„Mit gängigen Fertigungsmethoden wie Gießen und Fräsen wären komplexe Bauteile mit solch filigranen Strukturen gar nicht herstellbar“, sagt Dr. Tobias Fritsch von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).

Dem Forschungsteam ist es jetzt gelungen, die Eigenspannung im Bauteil nachzuweisen, jetzt sollen diese verringert werden. Dabei ist ein zeitlicher Wärmeeintrag beim Aufbau der Schichten des Bauteils entscheidend. Künftig wollen die Forschenden dies mit veränderten Druckereinstellungen erforschen.

Durch den sehr lokalen Wärmeeintrag des Lasers und die schnelle Abkühlung der Schmelze entstehen auch Spannungen im Material. Die Hersteller eliminieren diese in einem nachgeschalteten Wärmebehandlungsschritt. Doch das kostet Zeit und damit Geld.

Leider können die Spannungen auch schon während des Aufbaus und bis zur Nachbehandlung Schäden im Bauteil anrichten. „Sie können zu Verformungen und schlimmstenfalls zu Rissen führen“, sagt Tobias Fritsch. Er untersuchte daher ein additiv gefertigtes Bauteil des Gasturbinenherstellers Siemens Energy in der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) mit Neutronen auf Eigenspannungen.

Legierung aus Nickel und Chrom ohne Nachbehandlung
Für das Neutronen-Experiment am FRM II druckte Siemens Energy eine wenige Millimeter große Gitterstruktur aus einer für Gasturbinenkomponenten üblichen Nickel-Chrom-Legierung. Die übliche Wärmebehandlung nach der Fertigung wurde dabei absichtlich weggelassen.

„Wir wollten sehen, ob wir mit Neutronen die Eigenspannungen in diesem komplexen Bauteil nachweisen können“, erklärt Tobias Fritsch. Er hatte bereits Erfahrungen mit Neutronenmessungen am Berliner Forschungsreaktor BER II gesammelt, der aber Ende 2019 abgeschaltet worden war.

„Wir sind froh, dass wir im Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching messen können und mit dem Equipment, das Stress-Spec zur Verfügung stellt, sogar Eigenspannungen in solch filigranen und komplexen Gitterstrukturen auflösen können“, sagt der Physiker.

Wärme beim Drucken gleichmäßig verteilen
Nachdem es dem Team gelang, die Eigenspannungen in dem Bauteil nachzuweisen, geht es im nächsten Schritt nun darum, die zerstörerischen Spannungen zu verringern. „Wir wissen, dass wir die Parameter des Bauprozesses und damit den Aufbau des Bauteils anpassen müssen“, sagt Fritsch. Dabei ist der zeitliche Wärmeeintrag beim Aufbau der einzelnen Schichten entscheidend. „Je lokaler wir die Wärme beim Schmelzen des Pulvers einbringen, desto mehr Eigenspannungen erzeugen wir.“

Je länger der Laser des Druckers auf einen Punkt gerichtet ist, desto stärker erwärmt sich dieser im Vergleich zu den Nachbarbereichen. Dies erzeugt Temperaturgradienten, die zu Unregelmäßigkeiten im Atomgitter führen.

„Wir müssen die Wärme beim Drucken also möglichst gleichmäßig verteilen“, sagt Fritsch. Das wird die Gruppe zukünftig mit neuen Bauteilen unter veränderten Druckeinstellungen erforschen. Deshalb plant er zusammen mit Siemens bereits neue Messungen an der TUM-Neutronenquelle in Garching.

An der Forschungsarbeit waren neben Wissenschaftlern des Heinz Maier-Leibnitz Zentrums der Technischen Universität München und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung eine Entwicklerin der Siemens Energy GmbH & Co KG und Wissenschaftler der Universität Potsdam beteiligt.

tum.de