Neue Anwendungen für den 3D-Druck mit Glas
Wissenschaftler um Bastian Rapp und Frederik Kotz vom NeptunLab der Universität Freiburg entwickelten gemeinsam mit Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie ein lichtempfindliches Kompositmaterial – Glassomer – das sich wie ein Kunstharz additiv verarbeiten lässt. Sie ließen das Verfahren patentieren und gründeten im Jahr 2018 das Startup-Unternehmen Glassomer mit Sitz in Freiburg.
Die Glassomer GmbH ist seitdem auf die Herstellung von im Spritzguss verarbeitbarem Quarzglas und die Produktion von hochwertigen Glasbauteilen spezialisiert.
Nun haben der österreichische Spritzguss-Spezialist ENGEL und Glassomer einen Kooperationsvertrag geschlossen, um gemeinsam neue Anwendungen für das Glasspritzgießen zu entwickeln. Gemeinsam arbeiten die Unternehmen an der industriellen Umsetzung der Glasspritzgießtechnologie. In den neuen Produktionshallen von Glassomer in Freiburg laufen bereits die ersten Abmusterungen für Serienanwendungen.
„In der Optik sorgt die Herstellung immer kleinerer Lichtquellen für immer höhere Energiedichten und macht die Herstellung feiner Linsenstrukturen in chemisch und thermisch hochstabilem Glas nötig“, erklärt Kastner die Motivation von ENGEL, sich mit dem Werkstoff Glas zu beschäftigen.
ENGEL stellt Glassomer eine vollelektrische e-motion 50 TL Spritzgießmaschine mit integriertem viper Linearroboter in Reinraumausführung für die gemeinsame Entwicklungsarbeit sowie für Kundenaufträge zur Verfügung. Die e-motion TL Maschinenbaureihe wurde ursprünglich für die Herstellung von Smartphone-Kameralinsen aus Polycarbonat und Cycloolefin-Copolymeren entwickelt und findet in dieser Industrie vielfach Einsatz.
Das von Glassomer entwickelte und patentierte Material wird – wie im herkömmlichen Spritzguss – als Granulat der Spritzgießmaschine zugeführt. Es handelt sich um eine Kunststoff-Glas-Mischung, die bei Temperaturen von 130 °C und Zykluszeiten von unter 20 Sekunden im Spritzguss verarbeitet werden kann. Der Kunststoff wird im Anschluss an den Spritzgießprozess durch Entbindern entfernt. Die Bauteile werden gesintert, wobei die Bauteilgeometrie bis in die Mikrostrukturen exakt erhalten bleibt. Ohne Nachbehandlung lassen sich sehr hochwertige Oberflächen in optischer Qualität erhalten.
„Die Technologie bietet viel Potenzial, unter anderem für die Bereiche Optik, Medizintechnik, Solartechnik, Chemie und Automotive. Unser Ziel ist es, dieses Potenzial zu erschließen“, betont Clemens Kastner, Produktmanager Technologien bei ENGEL. „Gemeinsam mit Glassomer reduzieren wir die Hürden für den Einstieg in diese neue Technologie und ebnen der Serienproduktion großer Stückzahlen den Weg. Die Materialien von Glassomer können im Spritzgießverfahren verarbeitet werden. Wichtig ist, dass die Spritzgießmaschinen hohen Anforderungen an die Präzision gerecht werden.“
Üblicherweise erfordert die Formgebung von Glas sehr hohe Temperaturen und toxische Chemikalien. Die Spritzgießproduktion stellt hier eine deutlich energieeffizientere, wirtschaftlichere und nachhaltigere Alternative dar. Eine weitere Motivation für die Verarbeitung von Glas im Spritzguss ist die größere Designfreiheit. Im Spritzguss lassen sich nahezu beliebige Formen in kürzester Zeit herstellen. Viele davon wären in der klassischen Glasverarbeitung nicht denkbar.
Entwicklungsschwerpunkt sind nicht nur Linsen für sehr hochauflösende Smartphone-Kameras oder Sensorikanwendungen im Automobil, sondern auch der Bereich der Mikrofluidik, unter anderem für Lab-on-a-Chip-Anwendungen.
ENGEL AUSTRIA GmbH
ENGEL ist eines der führenden Unternehmen im Kunststoffmaschinenbau. Es bietet Technologiemodule für die Kunststoffverarbeitung wie Spritzgießmaschinen für Thermoplaste und Elastomere und Automatisierung. Mit neun Produktionswerken in Europa, Nordamerika und Asien (China, Korea) sowie Niederlassungen und Vertretungen für über 85 Länder unterstützt das Unternehmen seine Kunden weltweit mit neuen Technologien und modernsten Produktionsanlagen.