Schlagwerk trifft Werksmaschine

Was Schlagzeuger und Gießereien gemeinsam haben

Die alte Gießerei der Firma G.A.Röders in Soltau wurde im Oktober zu einem ganz besonderen Ort – nämlich zum Veranstaltungsort für das international gefragte Schlagzeug-Ensemble „Elbtonal“. Die Hamburger lieferten in der voll besetzten Gießerei eine ihrer energiegeladenen Performances ab.

Noch spannender ist aber, dass es zwischen den Schlagzeugern und der Gießerei noch mehr Verknüpfungen bestehen.

Die Rede ist von einem Musikinstrument, den Becken. 

Deren Herstellung von Becken läuft in mehreren Arbeitsschritten ab – und der erste Schritt ist das Gießen.

Zumindest ist das bei der traditionellen Beckenherstellung so. 

Gestanzt versus gegossen
Inzwischen gibt es auch modernere Methoden wie das Stanzen. Gestanzte Blechbecken sind relativ kostengünstig in der Herstellung und werden häufig bei Anfängern oder in der Mittelstufe verwendet. Bei Blechbecken ist die Varianz innerhalb einer Produktionscharge generell viel geringer als bei gegossenen Becken, da das Blech, aus dem sie ursprünglich gestanzt wurden, einheitlich ist.

Traditionelle Becken werden hingegen als einzelne Rohlinge gegossen, was bedeutet, dass jedes Becken tatsächlich seinen eigenen klanglichen Fingerabdruck hat. Bereits geringfügige Unterschiede in der Legierungszusammensetzung sowie kleine Abweichungen in den einzelnen Phasen des Produktionsprozesses wirken sich auf den Klang aus. Schlagzeuger, die ein Becken mit einem einzigartigen Klang besitzen wollen, werden daher mehrere verschiedene Modelle ausprobieren, sogar innerhalb derselben Produktionsreihe, bis sie “ihren” Klang finden. 

“Im Allgemeinen werden hochwertige professionelle Becken noch heute auf die gleiche Art und Weise wie vor über einem Jahrhundert hergestellt … Es hat sich herausgestellt, dass jeder Versuch zur Automatisierung des Herstellungsprozesses dazu führt, dass der natürliche Ton des Beckens verloren geht.” liest man beim Musikhaus Thomann.

Gerry Hemingway “Solo for Cymbal”

Legierung
Becken bestehen aus Bronze, wobei in der Regel eine Mischung aus 80 Prozent Kupfer und 20 Prozent Zinn bevorzugt wird. Das Kupfer-Zinn-Verhältnis solch eines gegossenen Beckens hat einen großen Einfluss auf den Klang. Generell gilt, dass die Zugabe von Zinn den Ton dunkler und wärmer macht und zu einem klangvolleren Becken führt.

Das gängigste Verhältnis, 80 % Bronze und 20 % Zinn, bietet die größte Bandbreite an Frequenzen. Allerdings sind diese Becken auch spröde und schwer zu bearbeiten – und daher auch teurer. Mehr als 22 % Zinn können allerdings nicht zugesetzt werden, weil der Klang der Becken dann seine Konturen verliert.

Eine andere häufig verwendete Bronzelegierung besteht aus 92 % Kupfer und 8 % Zinn. Die Instrumente klingen heller und fokussierter, haben aber weniger Frequenzen. Sie werden häufig in den amerikanischen Marschmusik-Gruppen verwendet.

Herstellung gegossener Becken
Die traditionelle Herstellung hochwertiger, gegossener Becken ist äußerst arbeitsintensiv und erfordert ein großes Maß an Geschicklichkeit.

Zuerst wird die Bronze geschmolzen  und in eine Form gegossen, aus der ein einzelner Rohling entsteht. Nachdem die geschmolzene Bronze in der Form erstarrt ist, werden die Teile sehr vorsichtig herausgenommen, sie werden dann gerollt und kommen in die Presse. Dabei entsteht auch die charakteristische Kuppe der Becken. 

Im nächsten Schritt werden per Hand mit speziellen Hämmern Dellen und Kerben in das Material geschlagen. Dies verleiht jedem Becken einen einzigartigen Klang, selbst innerhalb der gleichen Serie oder Größe. 

Anschließend werden kreisförmige Rillen in das Becken geschnitten. Das hat den Hintergrund, dass sich die Schwingungen so besser über das Becken ausbreiten können. Zum Schluss werden die Musikinstrumente poliert und mit dem Logo des Herstellers bedruckt.

Verwendung
Becken gibt es in verschiedenen Größen. Sie können entweder gegenseitig aneinander geschlagen oder mithilfe von Schlägeln gespielt werden. Weltberühmte Sinfonieorchester als auch avantgardistische Jazz-Formationen besitzen sie, Rockbands wie Rammstein ebenfalls. Wahrscheinlich stehen auch bei Nachbars Sprössling ein paar Exemplare im Keller, wenn auch von der kleineren Sorte. In Orchestern werden häufig Becken mit einem weitaus größeren Durchmesser verwendet als in Jazz- oder Rockbands. Die symphonischen Becken zählen in der Schlagzeugerwelt sozusagen als “Königsklasse”. 

Becken sind seit uralten Zeiten bekannt, aber nach Europa kamen sie erst im 17. Jahrhundert mit der Militärmusik der Osmanen. In der Türkei haben Becken als Kriegsinstrumente eine sehr lange Tradition. Mit den Türkenkriegen gelangten sie dann bis nach Wien und wurden dort schließlich assimiliert. Beispielsweise von Wolfgang Amadeus Mozart, der eine der ersten klassischen Musikstücke mit Becken schrieb, die Oper „Die Entführung aus dem Serail“. Die Oper wurde in Wien 1782 uraufgeführt und vom Publikum glänzend aufgenommen.

Während Militärmusiker oder Schlagzeuger in der Rock- oder Pop-Band ihre Becken in der Regel durch das ganze Konzert hindurch einsetzen, wird es in den Orchestern aber nur bei dramatischen Höhepunkten verwendet. In der Siebten Symphonie von Bruckner gibt es beispielsweise nur einen einzigen Beckenschlag.