(Kornseigerung). Nach vollständiger Erstarrung in den Mischkristallen einer Legierung vorhandene Konzentrationsunterschiede. Die Kristallseigerung beruht auf einer Störung des Diffusionsausgleiches zwischen den gebildeten Mischkristallen und der Restschmelze während des Erstarrungsvorganges. Wie aus Bild 1 hervorgeht, scheiden sich bei Erstarrungsbeginn einer mischkristallbildenden Legierung nach Unterschreiten der Liquidustemperatur TL Primärkristalle von der Zusammensetzung (a) aus, während die zuletzt erstarrende Restschmelze bei Erreichen der Solidustemperatur TS der Zusammensetzung (b) entspricht. Diese Unterschiede werden normalerweise durch Diffusion ausgeglichen, sodass das Gefüge aus einheitlichen Mischkristallen ein und derselben Zusammensetzung gemäß der Linie TL–TS entspricht. Verläuft jedoch der Diffusionsausgleich zu langsam oder ungenügend, so bestehen die gebildeten Kristalle aus einer Kernzone, die wesentlich ärmer an Legierungsmetall ist als die zuletzt erstarrte Randzone desselben Kristalls. Es treten somit Seigerungen an den Korngrenzen auf, die umso ausgeprägter sind, je geringer der Konzentrationsausgleich und je breiter das Erstarrungsintervall ist (Bild 2). Durch Glühbehandlungen lässt sich der Diffusionsausgleich in der Regel nachholen, dennoch wird bei zahlreichen Legierungen, die an sich zur Kristallseigerung neigen, auf derartige Nachbehandlungen verzichtet.
Je weiter der waagerechte Abstand zwischen Liquidus- und Soliduslinie, das heißt je länger die Konode ist, um so größer sind die Zusammensetzungsunterschiede zwischen flüssiger und fester Phase. Da eutektische Schmelzen ohne Änderung der Zusammensetzung erstarren, seigern jene Legierungen weniger, die einen größeren Anteil an Eutektikum im Gefüge aufweisen. Rein eutektische Legierungen erstarren daher ohne Kristallseigerung. Trägt man in einem Schaubild die Länge der Konoden über dem Gehalt der Legierungsbestandteile nach Maßgabe des betreffenden Zustandsschaubildes auf, so erhält man das sogenannte Seigerungsschaubild. Ein Beispiel zeigt Bild 3. Tritt ein Eutektikum auf, ist dessen Anteil abzuziehen (Bild 4).